Process Mining, Wholesale-Kredite und Loan IQ

 

Syndicated Loans sind ein Beispiel komplexer Finanzprodukte, deren Bearbeitung und Verwaltung über den gesamten Lifecycle und in den verschiedenen Bankbereichen eine große Herausforderung darstellt. In Kombination mit heterogenen IT-Landschaften und wechselnden Hoheiten entlang der Datenlieferstrecken kann die Komplexität solcher Produkte zu fehleranfälligen und schwer zu überblickenden Prozessen führen. In diesem Artikel möchten wir einige Beispiele solcher nicht-trivialer Prozesse vorstellen und diskutieren, wie diese mit Hilfe von Process Mining identifiziert und das verbundene Optimierungspotenzial nutzbar gemacht werden kann.

Der Wholesale-Sektor umfasst, verglichen mit dem Privatkundenbereich, häufig Finanzierungen größerer Volumina und komplexerer Finanzierungsstrukturen. Ein Beispiel für solche Produkte sind Konsortialkredite (Syndicated Loans), die in der Regel zur Realisierung von Großprojekten wie etwa Flugzeugen, Fabriken oder Bahnstrecken verwendet werden. Die Verwaltung und Bearbeitung dieser Produkte in der Gesamtbank stellen die Kreditgeber vor eine nicht zu vernachlässigende Herausforderung. Um diese effizient zu bewältigen, ist meist der Einsatz spezialisierter Software mit umfassenden Funktionalitäten erforderlich.


Fusion Loan IQ (im Folgenden kurz: Loan IQ) von Finastra ist ein Softwareprodukt, das für die zentrale Administration von Wholesale-Krediten ausgelegt ist, und den gesamten Lebenszyklus eines Kredites abbildet. Somit werden die komplexen Bearbeitungsschritte für den Kreditgeber vereinfacht.

Obwohl eine Standardsoftware, stellt die letztlich verwendete Version von Loan IQ meist eine maßgeschneiderte Variante dar, die im Alltag individuell mit spezifischen Prozessvorgaben für die Anlage und Bearbeitung der Kredite betrieben wird.

In der Regel stellt ein Vorsystem wie Loan IQ zudem nicht den Ausgangspunkt zum Aufbau der IT einer Bank dar, sondern muss in die bestehende (Um-)Systemwelt eingefügt werden. Um die Daten in die Systemlandschaft der Bank zu transportieren, werden diese meist durch ein zentrales Datawarehouse (DWH) geschleust, in dem eine Datennormierung und Anreicherung, beispielsweise mit Kundendaten, geschieht. An das DWH sind die einzelnen abnehmenden Systeme angeschlossen. Diese Umsysteme, z.B. des Treasury, des Controllings oder des Rechnungswesens interpretieren die angelieferten Daten, um die Geschäfte zu steuern, regulatorische Auflagen zu erfüllen und der Meldepflicht nachzukommen.

Zwischen dem Fachbereichsmitarbeiter, der den Kredit in das Vorsystem eingibt und bearbeitet, und z.B. dem Mitarbeiter im Bereich Controlling, der die Kennzahlen der Bank überwacht, passieren die Kreditdaten daher zahlreiche Schnittstellen der IT-Landschaft der Finanzinstitute. Die Teilbereiche der Datenlieferstrecke unterstehen dabei meist wechselnden Datenhoheiten und werden je Streckenabschnitt separat überwacht. Das führt dazu, dass die Daten, die durch die inhaltliche Bearbeitung der Kredite im Vorsystem entstehen, nur schwer in ihrer Gesamtheit über alle Teilstrecken überschaubar und nachvollziehbar sind. Die Folgen sind
  • Auf den Teilstrecken: Komplexere und ineffizientere Prozesse als notwendig, da Informationsweitergabe zwischen Schnittstellen und Systemen nicht optimal eingestellt sind: Fehleranfälligkeit!
  • Zeitliche Verzögerungen in Verarbeitung und Korrektur
  • Fehlinterpretation von Datenkonstellationen
  • Mehraufwände und somit höhere Kosten, ggf. sogar Unzufriedenheit des Kreditnehmers

Process Mining als Lösung

Um Kundenunzufriedenheit vorzubeugen und vorhandene Ressourcen optimal zu nutzen, ist eine Übersicht über die gelebten Prozesse unabdingbar. Eine mögliche Methode, um dies zu erreichen, stellt das Process Mining dar, dessen Grundlagen wir im Artikel Banking, Process Mining & Digital Transformation zusammengefasst haben. Des Weiteren können - durch eine Echtzeit-Überwachung im Rahmen eines Process Mining Tools - Ausreißer frühzeitig identifiziert und eine Fehlerbehebung eingeleitet werden. Eine negative Außenwirkung kann somit verhindert werden.

Um einige Situationen zu veranschaulichen, in denen der Einsatz eines Process Mining Tools die etablierten Abläufe verbessern sowie zur Behebung und Vermeidung von fehlerhaften Prozessen dienen kann, stellen wir im Folgenden drei Beispielsituationen vor, die uns in verschiedenen Projekten begegnet sind. Die vorgestellten Beispiele beschränken sich dabei auf Loan IQ, sind in ähnlicher Form aber in allen gängigen Vorsystemen zu finden und können entsprechend verallgemeinert werden.

Beispiel 1: Unerwartete Statuswechsel

Bei Anbahnung eines Kredites müssen bankseitig zahlreiche Prozesse in diversen Bereichen durchlaufen werden, wie z.B. juristische Prüfungen, das Aussprechen der bankseitigen Zusage zur Vergabe eines Kredites, etc. Die einzelnen Prozessschritte müssen hierbei mit der zugehörigen Bearbeitung in Loan IQ synchronisiert sein, bzw. müssen sich in gewisser Weise in dem Loan IQ Datensatz widerspiegeln. Dies erfolgt im Rahmen des Loan IQ Statusmodells. Wird ein bestimmter Status in Loan IQ erreicht, werden auch die Umsysteme mit den angeforderten Kreditdaten versorgt und die jeweiligen Folgetätigkeiten, wie etwa die Refinanzierung oder die Bereitstellung der Daten für die verschiedenen Meldebögen, werden initiiert.

Der Status, bei dem ein abnehmendes System bestimmte Daten eines Kredites angeliefert bekommt, kann individuell verschieden sein und hängt von den fachlichen Anforderungen des jeweiligen Abnehmers ab. Da die abnehmenden Systeme nicht den vollen Informationsfluss aus Loan IQ erhalten, sondern meist nur ein speziell aufbereitetes Datenset, können sich aus der Statusabfolge einer Bearbeitung in Loan IQ verschiedene Problemstellungen ergeben. Ein Beispiel sind Statusrücksprünge auf einen nicht anzuliefernden Status über mehr als einen Arbeitstag:

Die Ursache hierfür ist, dass Statusrücksprünge erfolgen, wenn Kerndaten der Kredite geändert werden müssen. Erfolgt dies untertägig und wird als Abschluss der Bearbeitung wieder ein anzuliefernder Status erreicht, bekommen abnehmende Systeme nach der Tagesendverarbeitung den jeweils vollständigen und korrigierten Datenstand des Kredites. Erfolgt dieser Prozess jedoch über mehr als einen Arbeitstag, können u.U. nicht kongruente Datenstände an die abnehmenden Systeme geliefert werden, da die Bearbeitungsvorgänge noch nicht abgeschlossen und damit nicht alle Informationen des Kredites als ‚gültig‘ ausgelesen werden können. Auch die Datenaufbereitung entlang der Lieferstrecke kann durch diese Datenkonstellationen ihre Grenzen erreichen: Aufwändige Analysen, Fehlerbehebungen und manuelle Eingriffe in einer oder mehreren Lieferstreckenabschnitten sind die Folge.

Beispiel 2: Multiple gleichartige Events

Findet im Rahmen einer Bearbeitung eine Fehleingabe statt, die erst verzögert, d.h. nach Abschluss der entsprechenden Bearbeitungsschritte, erkannt wird, ist es meist nicht möglich, den fehlerhaften Wert durch einen korrekten Wert zu ersetzen. Stattdessen muss eine Korrekturtransaktion durchgeführt werden, die dann den korrekten Wert enthält und die erste Transaktion überschreibt.

In den Loan IQ Notebooks, die die Kreditdaten enthalten, sind solche Situationen im ‚Events‘ – Tab sichtbar, der dann ein Log von mehreren gleichartigen aufeinanderfolgenden Vorgängen zeigt.

Da es sich bei den Transaktionen meist um komplexe Vorgänge mit zahlreichen Parametern handelt, steigt mit jeder Korrekturtransaktion das Risiko, nicht nur den ursprünglichen Fehler zu korrigieren, sondern eventuell auch einen anderen Parameter abweichend zu erfassen oder auszulassen.

Für die Lieferstrecke und auch die abnehmenden Systeme entsteht hier die Schwierigkeit, solche Vorgänge als Korrekturtransaktion zu erkennen, um diese im nächsten Schritt korrekt zu interpretieren und dann die korrekte Folgeaktion nur einmal und mit den korrekten Parametern im jeweiligen abnehmenden System zu starten. In Praxis ist dies häufig nicht-trivial, da vor allem Korrekturen, die über mehrere Tage im Vorsystem durchgeführt werden, nicht offensichtlich zuordenbar sind.
Mehraufwände durch Wiederholen der eigentlichen Folgetätigkeit und ggf. zusätzliche Analyseaufwände, falls Parameter fehlen, sind die Folge.

Beispiel 3: Payments

In Loan IQ können ein- und ausgehende Zahlungstransaktionen, z.B. Auszahlung von Krediten, mit aktueller oder zukünftiger Valuta erstellt werden. Die angelegte Transaktion wird manuell oder automatisiert freigegeben, bevor sie ein bankinternes Zahlungsverkehrssystem weitergeleitet, dort weiterverarbeitet und, z.B. über SWIFT, an die Empfängerbank des Kunden gesendet wird. Dabei ist es wichtig, dass die Transaktion bestimmte Kriterien erfüllt bzw. einer bestimmten Struktur entspricht, um prozessiert werden zu können.

Nach der Erstellung und Freigabe ist für den Fachbereich die weitere Verarbeitung der Zahlungstransaktion häufig nicht mehr ersichtlich. Wenn Zahlungen, z.B. aufgrund fehlerhafter Eingaben, von den nachfolgenden verarbeitenden Systemen abgelehnt und nicht weiterverarbeitet werden können, sind Mehraufwände durch Analyse des Problemfalls und ggf. manuelle Korrekturtätigkeiten die Folge. Zudem erlangt der Fachbereich meist erst verzögert Kenntnis über die Verarbeitungsprobleme und kann den Kunden ggf. erst spät informieren. Da Zahlungen meist terminiert und zeitkritisch sind, kann eine erwartete, aber nicht erfolgte Zahlung zu größeren Problemen beim Kunden führen und somit auch die Kundenbeziehung negativ beeinflussen. Tritt dieser Vorfall häufig auf, leidet zudem die Reputation.


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Abbildung 1: Beispiel Soll- und Ist-Prozess.Quelle: Finbridge GmbH & Co KG

Abbildung 1: Beispiel Soll- und Ist-Prozess.

Quelle: Finbridge GmbH & Co KG

Durch komplexe Bearbeitungsvorgänge im Vorsystem, stark verzweigte IT-Landschaften und zahlreiche Datenverarbeiter und -abnehmer entstehen in der Praxis zahlreiche Prozesse, die in ihrer Gesamtheit nicht mehr trivial nachverfolgbar und überschaubar sind. Die obigen drei Situationen sind nur wenige Beispiele, die sich im Rahmen der täglichen Arbeit mit einem hochfunktionalen Vorsystem wie Loan IQ und der dahinter liegenden Datenverarbeitung ergeben.

Die Beispiele zeigen, wie schnell Prozessabweichungen zu größeren Problemen und Ineffizienzen führen, die mit den vorhandenen Methoden und Tools jedoch kaum zeitnah erkannt und behoben werden können. Abhilfe kann hier – wie eingangs erwähnt - durch Einsatz eines Process Mining Tools geschaffen werden. Dieses kann eingesetzt werden um Gesamtprozesse, oder, wie im Beispiel 3, Teilprozesse live zu überwachen oder aber auch um bereits abgeschlossene Prozesse für die Zukunft zu analysieren und Schwachstellen in der Prozesskette aufzudecken. Prozessabweichungen können dann unmittelbar sichtbar gemacht und Mehraufwänden in den folgenden Lieferstrecken und abnehmenden Systemen entgegengewirkt werden.

 

Wie unterstützt Finbridge seine Kunden?

Unsere Experten betreuen Einführungen und Releasewechsel von Loan IQ und sind bestens vertraut mit den Herausforderungen, die sich bei Integration eines neuen Vorsystems in eine bestehende IT-Landschaft im täglichen Betrieb ergeben. Basierend auf dieser Erfahrung gibt es in fast jeder Prozessabfolge, ob neu eingeführt oder lange etabliert, ungenutztes Optimierungspotenzial, das wir unseren Kunden zugänglich machen möchten. Als einen ersten Schritt in diese Richtung schlagen wir eine Analyse der bestehenden Prozesse vor, um den Umfang des bestehenden Optimierungspotenzials einzuwerten. Gerne unterstützt Sie eines unserer Teams bei diesem sowie ggf. folgenden Vorhaben. Mögliche Einsätze unseres Teams sind – je nach Bedarf – beispielsweise 

  • Initiale Analyse des Optimierungspotenzials bestehender Prozesse

  • Darstellung und Analyse der hauseigenen komplexen Prozesse mithilfe des gewünschten Tools

  • Identifizierung von Ineffizienzen in bestehenden Prozessen

  • Umsetzung eines Process Mining Tools zur kontinuierlichen Prozessüberwachung

  • Aufzeigen von Digitalisierungsmöglichkeiten


Team

 
 
Dr. Jacqueline BonnetAssociate ManagerDigital TransformationLinkedIn | Xing

Dr. Jacqueline Bonnet

Associate Manager

Digital Transformation

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