Das neue EU-Geldwäschepaket- Herausforderungen für Geldwäsche-Risikomodelle

Foto von Markus Spiske auf Unsplash, Download-Datum: 19.04.2023

 

Im Juli 2021 veröffentlichte die europäische Kommission als Antwort auf einige Skandale im Finanzsektor und bestehende Lücken in den geltenden Geldwäschebekämpfungsrichtlinien den Plan zur Verabschiedung eines neuen Pakets zur Geldwäschebekämpfung. Ziel dieses neuen EU-Geldwäschepakets ist die zunehmende Harmonisierung der Vorschriften auf EU-Ebene. Am 28.03.2023 verabschiedete nun das Europäische Parlament seinen Standpunkt zu dem neuen EU-Geldwäschepaket.

Regulatorischer Hintergrund

Seit Jahren stehen Geldwäsche- und Terrorismusfinanzierung sowie mögliche Präventionsmaßnahmen im Fokus internationaler und nationaler Aufsichtsbehörden und Kommissionen. Innerhalb der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) versteht sich die Financial Action Task Force (FATF) als international agierendes Gremium zur Geldwäschebekämpfung. Auf europäischer Ebene existiert im Europäischen Parlament ein Ausschuss zur Untersuchung von Geldwäsche, Steuervermeidung und -hinterziehung. Des Weiteren werden von der EBA (European Banking Authority) Leitlinien für den Kampf gegen Geldwäsche erstellt. In Deutschland versteht sich die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) als standardsetzende Organisation hinsichtlich Geldwäschebekämpfung und -prävention.

Europäische Union

In den vergangenen Jahren wurden durch die europäische Kommission zahlreiche Richtlinien und Verordnungen erlassen, die den Kampf gegen Geldwäsche unterstützen sollen. Diese Richtlinien umfassen dabei sowohl den Bank- und Finanzdienstleistungssektor sowie Bereiche des Nichtfinanzsektors. Auch aktuelle Trends wie virtuelle Währungen und die Möglichkeit diese für Geldwäsche zu nutzen, fanden Eingang in die Geldwäscherichtlinien. Ein risikobasierter Ansatz der Geldwäschebekämpfung zog dabei mit der 4. Geldwäscherichtlinie in den regulatorischen Rahmen ein.

Auch Seitens der EBA wurden Leitlinien für den Kampf gegen Geldwäsche erstellt, welche sowohl Hilfestellungen für Kreditinstitute als auch Bewertungshinweise für Aufsichtsbehörden umfassen wie beispielsweise eine Leitlinie zur Bestimmung von Risikofaktoren hinsichtlich Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung.

Deutschland

In Deutschland ist die Abteilung Geldwäscheprävention der BaFin dafür zuständig die geldwäscherechtliche Aufsicht über alle in § 50 Nr. 1 des Geldwäsche Gesetz (GwG) genannten Institute, Unternehmen und Personen auszuüben. Ziel der BaFin ist die Verhinderung des Missbrauchs des Finanzsystems zur Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und zu sonstigen strafbaren Handlungen. Des Weiteren hat die BaFin dafür Sorge zu tragen, dass die gesetzlichen Pflichten zur Geldwäscheprävention und -aufdeckung die sich aus dem GwG, dem Kreditwesengesetz (KWG), dem Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG), dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) sowie dem Kapitalanlagesetzbuch (KAGB) ergeben eingehalten werden. Durch Rundschreiben, Auslegungs- und Anwendungshinweise sowie Sanktionslisten werden von der BaFin geldwäscherelevante Standards gesetzt. Diese Regelungen sind die Umsetzung der EU-Richtlinien in nationales Recht und umfassen unter anderem einen risikobasierten Ansatz zur Verhinderung und Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (GwG §3a), ein wirksames und angemessenes Risikomanagement (GwG §4) sowie eine jährlich durchzuführende Risikoanalyse (GwG §5).

Abbildung 1: Übersicht über die Organisationen zur Überwachung und Bekämpfung von Geldwäsche

In Kombination ergibt sich eine Vielzahl an relevanten aufsichtsrechtlichen Anforderungen, die die Umsetzung des EU-Geldwäschepakets betreffen. Institute sind bei einer Umsetzung daher dazu aufgefordert diesen umfangreichen Rahmen zu berücksichtigen und Auslegungen gemäß des eigenen Risikoprofils zu treffen.

Zusammenfassung zum EU-Geldwäschepaket

Das vom europäischen Parlament verabschiedete Legislativpaket zur Stärkung der Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung besteht aus vier Gesetzesinitiativen und beinhaltet dabei die Verordnung zur Bekämpfung von Geldwäsche, die 6. Geldwäscherichtlinie, die Verordnung zur Errichtung einer europäischen Behörde zur Bekämpfung von Geldwäsche (Anti-Money Laundering Authority, „AMLA“) sowie eine Aktualisierung der Geldtransferverordnung[1].

  1. Die Verordnung zur Bekämpfung von Geldwäsche erweitert den Anwendungsrahmen der Geldwäsche Regularien unter anderem um Anbieter von Kryptodienstleistungen und Anbietern von Crowd-Funding Plattformen. Die Zielsetzung ist es den mit den neuen Technologien einhergehenden Risiken Sorge zu tragen.  Neben einer detaillierteren und risikobasierten Ausgestaltung der Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden sowie einer Präzisierung in Bezug auf Strategien, Kontrollen und Verfahren zur wirksamen Minderung und Steuerung der ermittelten Geldwäscherisiken enthält die neue Geldwäscheverordnung eine Senkung der Höchstgrenze für zulässige Barzahlungen von 10.000 € auf 7.000 €.  Des Weiteren umfasst die Geldwäscheverordnung eine Harmonisierung und Straffung der Anforderungen zur Feststellung der wirtschaftlichen Eigentümer.

2. Ziel der 6. Geldwäscherichtlinie ist eine Präzisierung und Harmonisierung der Befugnisse und Anforderungen der nationalen Aufsichtsbehörden. Dies umfasst unter anderem die nationalen Risikoanalysen, die den Analysen zugrundliegenden Daten sowie die die Risikokategorisierung. Des Weiteren werden auch die Befugnisse der Register für Angaben über den wirtschaftlichen Eigentümer präzisiert und die Schaffung rechtlicher Vorgaben für die Vernetzung der Bankenkontenregister geschaffen.

3. Auch der Errichtung einer europäischen Behörde zur Bekämpfung von Geldwäsche liegt die Vereinheitlichung der Regelungen zur Bekämpfung von Geldwäsche zu Grunde. So soll die neue geschaffene Behörde im Zentrum eines Systems bestehend aus ihr und den nationalen Aufsichtsbehörden sein, um die Kommunikation im Bereich grenzüberschreitender Geldwäschefälle zu erleichtern. Des Weiteren sollen seitens der neuen EU-Behörde gemeinsame und einheitliche Standards als Basis für EU-weites System zur Geldwäschebekämpfung erarbeitet werden.

4. Die Aktualisierung der Geldtransferverordnung trägt den neuen Technologien Sorge und erweitert den Anwendungsbereich auf Krypto-Vermögenswerte. Insbesondere soll sichergestellt werden, dass Transfers von Krypto-Werten nachverfolgt werden können und alle Krypto-Dienstleistungsanbieter unter die EU-Vorschriften zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung fallen.

Zusammenfassend sind die Änderungen des EU-Geldwäschepakets beträchtlich. So unterstreichen die neuen Regelungen die Stoßrichtung des Europäischen Gesetzgebers, gegen geldwäscherechtliche Verstöße künftig (noch) stärker vorgehen zu wollen. Insbesondere sind und bleiben risikobasierte Kontrollen weiterhin ein relevantes Thema für Geldwäschebekämpfung. Die Anpassung an neue Trends wie beispielsweise Kryptowährungen erfordert dabei eine auch erhöhte Flexibilität und Aktualität seitens der Kreditinstitute in ihren Risikobewertungen.

Herausforderungen in der institutsindividuellen Umsetzung

Vor dem Hintergrund der Komplexität der bestehenden Regularien hinsichtlich Geldwäsche stellt die Ermittlung des Geldwäscherisikos eine Herausforderung dar. Typischerweise erfolgt die Umsetzung eines risikobasierten Ansatzes für die Ermittlung des Geldwäscherisikos in vier sich wiederholenden Schritten:

  1. Schritt: Umfassende Identifizierung aller instituts- und geschäftsindividuellen Geldwäscherisikofaktoren. 

  2. Schritt: Ganzheitliche Bewertung des Geldwäscherisikos.

  3. Schritt: Laufende Überwachung des Geldwäscherisikos und potenziell eintretender Risikofälle.

  4. Schritt: Aktualisierung der Risikofaktoren, Parametrisierungen und Risikobewertungen.

Abbildung 2: Kreislauf des risikobasierten Ansatzes (in Anlehnung an [ESAs 2016 72][2])

Während ein Vorteil eines risikobasierten Ansatzes die Flexibilität in der Anpassung an potenziell neu auftretende beziehungsweise sich verändernde Risiken ist, erfordert dies Seitens der Institute eine konstante Beobachtung aller Risikosituationen sowie eine gute Übersicht über alle benötigten Daten. Dadurch ergeben sich Herausforderungen in der Umsetzung in allen oben genannten Schritten des Risikobewertungsprozesses.

Dabei spielt die Fragestellung welche Faktoren das Geldwäscherisiko beeinflussen eine zentrale Rolle.  Diese Faktoren sind hochindividuell und unter anderem von dem speziellen Geschäftsmodell des Instituts abhängig. So ist eine systematische und quantifizierbare Erfassung der institutsindividuellen Risikofaktoren oftmals schwierig.

Im Rahmen des Know-Your-Customer-Prinzips (KYC-Prinzip) findet die Identifizierung und Überprüfung aller Bestandskunden sowie sich im Kundenaufnahmeprozess befindenden Neukunden statt. Innerhalb dessen werden Daten erhoben und überprüft. Gerade im Hinblick auf die Risikomodellierung ist dabei die Vollständigkeit und Genauigkeit dieser Daten für die adäquate Risikobewertung von besonderer Bedeutung. Vor diesem Hintergrund ist eine einheitliche und vollständige Methode zur Datenerhebung im Hinblick auf die Institutsindividuelle Situation, die die Anwendung der verwendeten Risikomodelle ermöglicht von herausragender Bedeutung.

In vielen Fällen, insbesondere im Falle kleinere Institute, liegt nur geringe Anzahl an tatsächlich beobachteter Geldwäschefällen vor. Dies erschwert in Folge die Ermittlung möglicher Risikofelder.

Durch die generell schwierige Datensituation gepaart mit hohen Ansprüchen an die Risikomodelle ergeben sich in der Rückschau oftmals Probleme bei der Validierung und Rekalibrierung der eingesetzten Modelle. Vor diesem Hintergrund ist typischerweise eine Abwegungsentscheidung zwischen der Angemessenheit der Modellkomplexität (und daraus resultierend die Datennotwendigkeit) und der Aussagekraft der Modelle zu treffen. Diese Entscheidung ist hochgradig institutsindividuell und nicht einfach zu treffen.

Anforderungen an eine Modellumsetzung

Nach deutschem Gesetz schreibt § 4 GwG vor, dass Finanzinstitutionen[3] ein Riskmanagement zur Verhinderung von Geldwäsche und von Terrorismusfinanzierung unterhalten müssen. Diese soll sich an Art und Umfang ihrer Geschäftstätigkeit orientieren. Die Risikoanalyse nach § 5 GwG bildet hierbei die Grundlage für die institutsspezifische Strategie hinsichtlich der zu ergreifenden Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen zur Geldwäscheprävention und zur Verhinderung und Bekämpfung von Terrorismusfinanzierung.

Die beschriebenen Rahmenbedingungen bewirken, dass Aufsichtsbehörden und bankinterne Abteilungen sich immer stärker auf risikobasierte Modelle zur Geldwäscheprävention fokussieren. Im Folgenden stellen wir ein Konzept einer Risikomodellentwicklung vor dem Hintergrund der geltenden Regularien vor. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen ergeben sich dabei aus dem Geldwäschegesetz samt Anlagen, den Auslegungs- und Anwendungshinweisen der BaFin sowie den EBA „Leitlinien zu den Risikofaktoren für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung“.  

So müssen die Risikomodelle sowohl das Geldwäsche Risiko, dem sie infolge der Art und Komplexität ihrer Geschäftstätigkeit ausgesetzt sind (unternehmensweite Risikobewertung) sowie das Geldwäsche Risiko, dem sie im Fall der Aufnahme einer Geschäftsbeziehung oder der Durchführung einer gelegentlichen Transaktion ausgesetzt sind (individuelle Risikobewertungen) bewerten.

Basis jedes Risikomodells bilden die unter Berücksichtigung des Geschäftsgegenstandes des Kreditinstituts identifizierten Risikofaktoren, welche anhand der 5. Geldwäscheleitlinie, den Anhängen des Geldwäschegesetzes, den Auslegungs- und Anwendungshinweisen der BaFin sowie den EBA „Leitlinien zu den Risikofaktoren für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung“ ermittelt werden. Es werden üblicherweise die Risikofaktoren in die Bereiche Kunden, Länder oder geografische Gebiete, Produkte und Dienstleistungen sowie Vertriebskanäle unterteilt. Abbildung 3 zeigt die verschiedenen Dimensionen der Risikofaktorermittlung. Der Umfang, in welchen die unterschiedlichen Dimensionen der Risikofaktoren zum Tragen kommen, ist dabei institutsindividuell und wird oftmals von Experten bestimmt.

Abbildung 3: Dimensionen der Risikofaktoren

Die Ermittlung der Risikofaktoren soll dabei auf Grundlage von Informationen aus verschiedenen internen und externen Quellen erfolgen.  Auch das GwG schreibt vor, welche Informationsquellen mindestens genutzt werden müssen, wie beispielsweise die im Rahmen der Ersten Nationalen Risikoanalyse des Bundesministeriums der Finanzen ermittelten größten Risikofelder für Geldwäsche. Die Informationsquellen umfassen unter anderem dabei:

  • supranationale Risikobewertung der Europäischen Kommission,

  • seitens der FATF und EU bereitgestellte Sanktionslisten sowie die Liste der Drittländer mit hohem Geldwäscherisiko der europäischen Kommission,

  • nationale Risikobewertungen,

  • Informationen von zentralen Meldestellen (Financial Intelligence Units, FIUs) und Strafverfolgungsbehörden, z. B. Gefahrenberichte, Warnungen und Typologien,

  • Informationen von Industrieverbänden, z. B. Typologien und Meldungen zu aufkommenden Risiken,

  • Erkenntnisse aus der Erstüberprüfung im Rahmen der Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden und der laufenden Überwachung,

  • Informationen aus glaubwürdigen und zuverlässigen öffentlichen Quellen, z. B. Berichte in angesehenen Zeitungen sowie

  • Informationen von glaubwürdigen und zuverlässigen gewerblichen Einrichtungen, z. B. Risiko- und Untersuchungsberichte.

Die so von Experten ermittelten Faktoren müssen in einem ganzheitlichen Zusammenhang, d.h. in Verbindung mit den angebotenen Produkten und Dienstleistungen sowie Kunden des Instituts betrachtet werden.

Nach der Bestimmung der individuellen Risikofaktoren muss in Rahmen der Risikomodellierung eine Bewertung der bestimmten Geldwäscherisiken erfolgen, welche die Geschäftstätigkeit, die Geschäftsbeziehungen, die inhärente Geldwäscherisikohöhe sowie mögliche risikomindernde Faktoren berücksichtigt. Um eine Verhältnismäßigkeit zu gewährleisten, müssen dabei kleinere Institute, welche nur eine begrenzte Anzahl an Produkten anbieten und vorrangig national agieren, keine komplexen Verfahren zur Risikobewertung entwickeln.

Nach Bewertung der Risikoparameter erfolgt die Überwachung aller Geldwäscherisiken durch Experten. Auf Grund dieser Überwachungen können nun bei Bedarf Anpassung an den Risikofaktoren oder Modellen erfolgen.

Die Wahl des Risikomodells muss an die oben besprochenen geltenden Regulatorien sowie das Kreditinstitut angepasst werden. Dies stellt Institute vor die Herausforderung zur (Weiter-)Entwicklung eines passenden Risikomodells. So muss auf Basis von vorliegenden Daten, wie Kundeninformationen, Produktarten, Geschäftssitz und Vertriebswegen das individuelle Risiko ermittelt werden.

 

Modellauswahl

 

Typischerweise kommen für die Ermittlung des Risikos unterschiedliche komplexe Modelle in Frage, die sich in ihrer Anwendung u.U. an den Methoden anderer Risikoarten (bspw. Kreditrisiko) bedienen.

  • Machine-Learning basierte Risikomodelle finden insbesondere bei großen Kreditinstituten immer häufiger Anwendung. In der Praxis zeigt allerdings, dass insbesondere kleinere Institute eine rechte dünne Datenlage an tatsächlichen Geldwäschefällen aufweisen. Diese Datengrundlagemacht es häufig unmöglich besonders datenintensive Machine Learning Verfahren anzuwenden.

  • Im Falle kleinerer Institute bieten sich daher klassische statistische Verfahren, wie Regressionsmodelle (lineare, Logit-Modelle, …) an, die auch im Falle einer eher dünneren Datenlage robuste  Aussagen ermöglichen.

  • Als Alternative können Cluster-Analysen durchgeführt werden, deren Ziel es ist (neben einer Expertenbasierten Einschätzung), grobe Klassifizierungen in Sachverhalte mit hohem oder niedrigem Risiko zu ermöglichen.

  • Sollten weiterhin nicht ausreichend Daten für eine statistisch signifikante Aussage vorliegen, können umfangreiche auf Expertenmeinungen basierende empirische Analysen genutzt werden, um das Geldwäscherisiko angemessen zu bewerten.

Für eine finale Modellauswahl sind umfangreiche Analysen der Datenverfügbarkeit und beispielhafte Validierungen notwendig. Eine Einstufung auf der Komplexitätsskala sollten entlang der Risikosituation erfolgen.

Proportionalitätsprinzip

Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 GwG richtet sich der Umfang der Risikoanalyse und damit auch der Risikomodelle nach Art und Umfang der Geschäftstätigkeit der Verpflichteten. Je umfangreicher die Risiken eines Instituts sind, desto umfangreicher gestalten sich die Anforderungen an das Risikomodell. Auch die Leitlinien zu den Risikofaktoren für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung der EBA sehen eine Verhältnismäßigkeit zwischen Risikomodell und Größe und Art des Kreditinstituts vor. Damit ist die Komplexität des Risikomodells direkt an die Größe und Art des Instituts geknüpft. Insbesondere für kleine Institute, die keine komplexen Produkte oder Dienstleistungen anbieten und eine begrenzte, rein nationale Risikoexposition aufweisen, können daher weniger komplexe Modelle gewählt werden.

Bewertung

Um die passende Wahl eines Risikomodells zu treffen, bietet es sich daher an die Vorteile des jeweiligen Modells vor dem Rahmen des individuellen Geschäftsmodells unter Berücksichtigung des Proportionalitätsprinzips zu evaluieren.

Tabelle 1: Übersicht über die möglichen Risikomodelle

Nach der Wahl des Modells, ist eine Kalibrierung der Bewertungsparameter und Gewichte nötig. Diese Kalibrierung steht dabei vor der Schwierigkeit, dass oftmals nur eine geringe Anzahl an tatsächlich beobachteten Geldwäschefällen vorhanden ist und die benötigte Datenlage zu gering für eine optimale Parameteranpassung ist. Während bei einer idealen Datenlage, das tatsächliche Geldwäscherisiko zur Kalibrierung genutzt werden kann, bietet sich für die oftmals real vorhandene Datenlage eine Verzahnung der Expertenmeinung mit den statistischen Modellen an. Im folgenden Abschnitt stellen wir ein Beispielsszenario im Falle eines Regressionsmodells vor.

Beispielhafte Modellkalibrierung

Die Ausgangsbasis bildet eine binäre Zielvariable (z.B. GW), die den Wert “1” (GW=1) annimmt, wenn ein Geldwäschefall vorliegt und sonst dem Wert “0” (GW=0) entspricht. Im Falle eines Regressionsmodells wird diese Variable mit Hilfe einer Gleichung beschrieben, in der die verschiedene Risikofaktoren (z.B.: Kunden-, Länder-, Produkt-, Branchen- und Vertriebskanalrisiko) berücksichtigt werden. 

Sobald ein Regressionsmodell zur Ermittlung des Geldwäscherisikos zum Einsatz kommt, ist ein Institut aufgefordert die notwendigen Parameter auf Basis der vorliegenden Daten zu kalibrieren.

Typischerweise werden sehr wenige tatsächliche Geldwäschefälle beobachtet. Vor diesem Hintergrund ist es häufig notwendig neben der üblichen Kalibrierung entlang realisierter Geldwäsche-Sachverhalte ergänzend simulierte Datenbasierend auf expertenbasierten Schätzungen zu verwenden. Darüber hinaus können neben den auf Expertenschätzungen basierenden Daten auch Daten durch statistische Simulationen erzeugt werden. In der bisherigen Situation wurde die Variabel GW beschrieben, die den tatsächlichen Geldwäschesachverhalt veranschaulicht. Im Falle simulierter Daten wird eine weitere Zielvariable (z.B. GW_sim) verwendet, die den Wert “1” (GW_sim=1) im Falle eines hohen Geldwäscherisikos annimmt und sonst dem Wert “0” (GW_sim=0) entspricht.

Abbildung 4 zeigt die Kalibrierung der Modellparameter. Der obere Teil veranschaulicht die Idealwelt, in der eine Kalibrierung der Regressionsparameter auf tatsächlichen Daten basiert. Im unteren Teil wird zur Kalibrierung eine Expertenschätzung des Geldwäscherisikos beschrieben.  Die Schätzergebnisse der Regression werden dann im oberen Idealweltfall mit den tatsächlichen Geldwäschefalldaten abgeglichen. Im unteren Fall werden die Schätzergebnisse mit den simulierten Werten verglichen. Sofern keine größeren Abweichungen vorliegen, ist das gewählte Modell adäquat. Sollten größeren Diskrepanzen vorliegen muss das Modell adjustiert werden.

Abbildung 4: Mögliche Modellkalibrierung

Mit diesem Vorgehen können Modelle initial validiert werden, um bestehende Verfahren datenbasiert zu bestätigen. Mit dem Ziel einer langfristigen Risikoüberwachung kann ein derartiges Modell nun dauerhaft begleitet werden und gepaart mit gesteigerter Datenverfügbarkeit stetig verbessert werden.

In unseren bisherigen Projekten hat sich eine solche Risikomodellierung in toolbasierter Form als erfolgreich herausgestellt. Dabei hat das finale Modell, das auf Basis der institutsindividuellen Risikofaktoren ein zu einem Kunden gehörendes Geldwäscherisiko ermittelt. Abbildung 5 stellt dabei ein Beispiel für die nötige Datenstruktur der Risikofaktoren sowie Eingangsdaten dar.

Abbildung 5: Beispielbild für die mögliche Struktur der Eingangsdaten einer Tool-Lösung

Als Proof-Of-Concept für die konzeptionelle Umsetzung der Modelle lässt sich ein derartiges Tool auch für die Konzept- und Umsetzungsphase von Modellweiterentwicklungen nutzen. Verschiedene Parametrisierungen können dadurch vergleichend dargestellt und bewertet werden (siehe Abbildung 6).

Abbildung 6: Beispielhafte Kalibrierungen verschiedener Regressionsansätze

Darüber hinaus können dokumentierte Modellkalibrierungen für revisionssichere Dokumentation verwendet werden.

Fazit

Modelle zur Ermittlung des Geldwäscherisikos stellen vor dem Hintergrund zahlreicher aufsichtsrechtlicher Änderungen eine große Herausforderung dar. Insbesondere die Bestimmung der institutsindividuellen Risikofaktoren sowie die passende Wahl des Risikomodells ist hochkomplex und benötigt neben großen Datenmengen auch weiterhin geldwäschebezogene Expertise. Vor diesem Hintergrund bietet es sich für viele Institute an neben Expertenmeinungen auch quantifizierbarere Risikomodelle (u.a. Regressionsmodelle) heranzuziehen. Diese erleichtert auf Dauer die Risikoanalyse, die Dokumentation und die Kommunikation gegenüber der Aufsicht. Auch die Aufnahme neuer Risikofaktoren, die sich beispielsweise im Zuge neuer Technologien ergeben, ist so konsistent und transparent möglich.

Wie Finbridge unterstützt

Wir unterstützen Sie gerne bei der Analyse Ihrer institutsindividuellen Risikofaktoren in Bezug auf Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und sonstigen strafbaren Handlungen. Unsere Experten und Expertinnen bringen umfangreiche Erfahrung in der Risikomodellierung mit und helfen Ihnen gerne bei der Entwicklung Ihres individuellen Geldwäscherisikomodells unter Einbeziehung aller aktuellen regulatorischen Vorgaben und Standards.

Auf Grund unseres umfangreichen Fachwissens der spezifischen regulatorischen Anforderungen im Bereich Geldwäsche, gekoppelt mit umsetzungsorientierter Praxiserfahrung rund um Risikomodelle, können wir flexibel auf Ihre Institutsspezifika eingehen und begleiten Sie bis zur Erfüllung der Erwartung der Aufsichtsbehörden.

Autoren: Dr. Ingeborg Keller, Alexander Schiller, Stefan Scheutzow

Anmerkungen und Quellen

[1] Rat der EU: Pressemitteilung vom 07. Dezember 2022 Bekämpfung von Geldwäsche: Rat legt seinen Standpunkt zu einem verschärften Regelwerk fest

[2] ESAs: Joint Guidelines on the characteristics of a risk‐based approach to anti‐money laundering and terrorist financing supervision, and the steps to be taken when conducting supervision on a risk‐sensitive basis: The Risk‐Based Supervision Guidelines

[3] Finanzinstitutionen ist hierbei als weitläufiger Begriff zu verstehen, u.a. Kreditinstitute, Banken, Sparkassen oder Finanzdienstleistungsinstitute umfasst.  § 2 GwG verpflichtet Unternehmen mit sehr unterschiedlichen Tätigkeitsbereichen u.a. auch aus dem Nicht-Finanzsektor Maßnahmen zur Geldwäscheprävention und Verhinderung von Terrorismusfinanzierung zu ergreifen.


 
 

Ihr Ansprechpartner

 

Stefan Scheutzow

Partner

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