Sustainable Finance – Änderungen in der MiFID II

Photo by Karsten Winegeart on Unsplash. Abgerufen am 02.05.2021.

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Das vergangene Jahrzehnt hat mit dem Klimaschutz ein lange verdrängtes Thema ins Zentrum politischer Debatten gerückt. Mit dem im Jahr 2016 verabschiedeten Pariser Klimaabkommen und der Agenda 2030 erhält das Thema Nachhaltigkeit international Aufwind. Doch der ökologische Umbau ist kostspielig. Einer OECD Schätzung zufolge, wären zwischen 2016 und 2030 jährliche Investitionen in Höhe von 6,3 Billionen Euro notwendig, um dem globalen Entwicklungsbedarf gerecht zu werden.[1] Zeitgleich steigt mit wachsendem Umweltbewusstsein die Nachfrage nach „grünen“ Möglichkeiten der Geldanlage.

Diese Entwicklungen rücken die Bedeutung des Kapitalmarkts für einen sozial-ökologischen Umbau in den Vordergrund – mit wesentlichen Auswirkungen auf Finanzinstitute. Einerseits bringt die Entwicklung kreativer nachhaltiger Produkte neue Geschäftsmodelle hervor und bietet die Möglichkeit, die Außenwirkung der Finanzinstitute zu verbessern. Andererseits sorgen neue regulatorische Anforderungen für notwendige Anpassungen im Geschäftsprozess und damit in den Bankensystemen.

Diese regulatorischen Anforderungen resultieren aus dem im März 2018 von der Europäischen Kommission verabschiedeten „Aktionsplan: Finanzierung nachhaltigen Wachstums“. Nachhaltigkeit umfasst hierbei neben Umweltaspekten auch die Bereiche Soziales und Unternehmensführung (ESG). Mit dem Aktionsplan wurden Maßnahmen für das Erreichen von drei übergeordneten Zielen definiert[2]:

  1. Neuausrichtung der Kapitalflüsse hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft

  2. Einbettung der Nachhaltigkeit in das Risikomanagement

  3. Förderung von Transparenz und Langfristigkeit

Inzwischen steht eine Vielzahl der Maßnahmen einer Überführung in EU-Gesetzgebung bevor. Diese Veröffentlichung greift die Änderungen in der Delegierten Verordnung 2017/565 und der Delegierten Richtlinie 2017/593 auf. Beide Gesetzesänderungen wurden am 21. April 2021 von der Europäischen Kommission verabschiedet und wirken sich auf die MiFID II aus.

Änderung der Delegierten Verordnung 2017/5653

Die Delegierte Verordnung 2017/565 ergänzt die MiFID II, indem die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung der Tätigkeit präzisiert werden. Die Änderung der Verordnung tritt 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft und gilt voraussichtlich ab Q2/2022. Die nun beschlossene Gesetzesänderung hat Auswirkungen auf den Beratungsprozess und die organisatorischen Anforderungen der Wertpapierfirmen.

Aufnahme von Nachhaltigkeitspräferenzen in den Beratungsprozess

Die Vorschriften in der Anlageberatung und im Asset Management werden um die Frage nach den Nachhaltigkeitspräferenzen der Anleger erweitert. Derzeit ist unter der MiFID II geregelt, dass finanzielle Ziele der Geldanlage abgefragt werden. Dazu gehören bspw. die Risikobereitschaft der Anleger sowie deren Verlusttragfähigkeit. Nichtfinanzielle Ziele, wie etwa die Nachhaltigkeitspräferenzen der Anleger, wurden damit vernachlässigt. Durch die Aufnahme von Nachhaltigkeitspräferenzen in den Beratungsprozess wird das geändert.

In der konkreten Ausgestaltung bedeutet dies, dass der (potenzielle) Kunde vorgibt, in welchem Maße nachhaltige Finanzinstrumente in seine Anlage einbezogen werden sollen (Nachhaltigkeitspräferenzen). Nachhaltigkeit kann hierbei in drei Formen gemessen werden: Ein Produkt gilt als nachhaltig, sofern es EU-Taxonomie konform ist oder entsprechend der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) nachhaltig ist oder, sofern die wichtigsten nachteiligen Auswirkungen auf die Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigt werden. Diese Berücksichtigung erfolgt anhand quantitativer und qualitativer Elemente, die vom (potenziellen) Kunden bestimmt werden.[4]

Auf operativer Ebene wird in der Verordnung empfohlen, die Finanzinstrumente anhand ihres Anteils nachhaltiger Investitionen in eine Rangfolge zu bringen. Im Falle nachteiliger Auswirkungen auf die Nachhaltigkeitsfaktoren sollten quantitative und qualitative Indikatoren (darunter auch SFDR-konforme Indikatoren) erstellt werden sowie deren Entwicklung kenntlich gemacht werden. Der folgende Abschnitt fasst die Gesetzesänderungen im Beratungsprozess zusammen. Die Gesetzesänderungen betreffen auch potenzielle Kunden.

Zunächst müssen Wertpapierfirmen ihre Anleger darüber informieren, welche Faktoren bei der Auswahl der Anlageprodukte einbezogen wurden, darunter auch Nachhaltigkeitsfaktoren.[5] Weiterhin sind Wertpapierfirmen verpflichtet sicherzugehen, dass das dem Kunden empfohlene Geschäft neben den Anlagezielen und der Risikobereitschaft auch den Nachhaltigkeitspräferenzen des Anlegers entspricht.[6] Außerdem wird der Umfang der erforderlichen Informationen bezüglich der  Anlageziele des Kunden um die Nachhaltigkeitspräferenzen erweitert.[7] Die Gesetzesänderung sieht des Weiteren vor, dass die Strategien und Verfahren zur Beurteilung von Kosten und Risiken der vorgeschlagenen Anlageprodukte nun auch explizit Nachhaltigkeitsfaktoren einbeziehen müssen.[8] Weiterhin wird gesetzlich untersagt, dass für den Fall, dass kein den Nachhaltigkeitspräferenzen entsprechendes Produkt verfügbar ist, ein anderes Finanzinstrument empfohlen wird, das nicht den Präferenzen des Kunden entspricht. Der Kunde kann seine Präferenzen jedoch anpassen, wobei die Kundenentscheidung einschließlich Begründung von der Wertpapierfirma aufgezeichnet werden muss.[9] Außerdem sind Wertpapierfirmen dazu verpflichtet, dass der bereits vorgeschriebene Bericht zur Information des Anlegers über Übereinstimmungen der Empfehlungen mit den Präferenzen des Anlegers auch Auskunft über die Übereinstimmung mit den Nachhaltigkeitspräferenzen des Anlegers enthält.[10]

Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in die organisatorischen Anforderungen

Die zweite Änderung betrifft die Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in die organisatorischen Anforderungen. Gesetzlich wird die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken durch Wertpapierfirmen im Rahmen der allgemeinen organisatorischen Anforderungen festgelegt.[11] Im Speziellen wird die Aufnahme von Nachhaltigkeitsrisiken in das Risikomanagement beschlossen.[12] Zudem wird die Präambel von Artikel 33, der für Kunden potenziell nachteilige Interessenkonflikte thematisiert, verändert. Hier wird hervorgehoben, dass Interessenkonflikte den Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden abträglich sein könnten.

Änderung der Delegierten Richtlinie 2017/59313

Die Delegierte Richtlinie 2017/593 ergänzt die MiFID II, indem unter anderem die Produktüberwachungspflichten spezifiziert werden. Die Änderung der Richtlinie tritt, wie die Änderung der EU-Verordnung 2017/565, 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in Kraft. Bis ein Jahr nach Inkrafttreten müssen die Mitgliedstaaten die Richtlinie in nationales Gesetz überführen. Diese nationalen Rechtsvorschriften sind drei Monate später, voraussichtlich ab Q3/2022, anzuwenden.

Bisher gibt die Richtlinie vor, dass im Vorfeld der Vermarktung und des Vertriebs von Finanzinstrumenten ein Produktgenehmigungsverfahren stattfindet. Hierfür müssen der Zielmarkt des jeweiligen Finanzinstruments bestimmt werden, die Risiken für den Zielmarkt bewertet werden und die Vertriebsstrategie dem Zielmarkt entsprechend gewählt werden. Die wesentliche Veränderung, die die neue Gesetzeslage mit sich bringt, betrifft die Bestimmung des Zielmarkts. Derzeit werden Nachhaltigkeitsfaktoren[14] nicht ausdrücklich in die Zielmarktbestimmung aufgenommen. Mit der neuen Richtlinie sind bei der Produktaufsicht und -überwachung Nachhaltigkeitsfaktoren und nachhaltigkeitsbezogene Ziele zu berücksichtigen. Dies betrifft sowohl die Konzeption als auch den Vertrieb von Finanzinstrumenten.

Die Änderungen für Wertpapierfirmen, die Finanzinstrumente konzipieren und Wertpapierfirmen, die Finanzinstrumente für den Vertrieb anbieten, finden sich in Artikel 9 und 10 der Richtlinie 2017/593. Zunächst müssen in die Zielmarktbestimmung und die Überprüfung des Zielmarkts eines konzipierten, angebotenen oder empfohlenen Finanzinstruments neben Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen der Kundenart(en) explizit die nachhaltigkeitsbezogenen Ziele einbezogen werden. Die Ermittlung eines negativen Zielmarkts in der Zielmarktbestimmung, also eines Zielmarkts, mit dem das jeweilige Finanzinstrument nicht vereinbar ist, entfällt für Finanzinstrumente, bei denen Nachhaltigkeitsfaktoren berücksichtigt werden.[15] Weiterhin müssen im Falle der Konzeption eines Finanzprodukts die Nachhaltigkeitsfaktoren der Finanzinstrumente nun in transparenter Weise an die Vertreiber weitergegeben werden.[16]

Unser Angebot

Die hier vorgestellten Veränderungen in der MiFID II, stellen nur ein Segment des Umbruchs im Finanzsektor dar, der durch den EU-Aktionsplan „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ angestoßen wird. Daneben werden beispielsweise die nicht-finanziellen Offenlegungspflichten für Banken erweitert und ESG-Risiken verstärkt im Risikomanagement thematisiert.[17] Finanzinstituten stehen damit erhebliche Veränderungen bevor – Veränderungen, die Chancen und Herausforderungen bieten.

Wir unterstützen Sie gern dabei, die neuen gesetzlichen Anforderungen in Ihre Geschäftsprozesse zu implementieren. Unsere Beratung vereint dabei die fachliche Expertise bezüglich der Regulatorik mit Kenntnissen zur technischen Implementierung in den Bankensystemen. So konnten wir bereits Finanzinstitute erfolgreich bei der Einführung der MiFID II begleiten.

Unser Beratungsansatz fokussiert sich bei der Umsetzung auf die optimale Einbettung der automatisierten Analyse- und Prüfungstätigkeiten in Ihre vorhandene Prozesslandschaft. Die Schulung interner Mitarbeiter und eine bedarfsgerechte Anwendungsbetreuung sind für uns ebenso selbstverständlich wie ein kundenorientierter Lösungsansatz und die Umsetzung eventuell benötigter individueller Gestaltungen. Gern unterstützen wir darüber hinaus im Projekteinsatz oder/und dem regelmäßigen Betrieb.

Wir hoffen, Ihr Interesse an unserer Beratung geweckt zu haben und freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme!


Quellen und Referenzen

[1]OECD (2019), „Investing in Climate, Investing in Growth“.

[2] https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52018DC0097&from=EN

[3] https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/12068-Sustainable-finance-obligation-for-investment-firms-to-advise-clients-on-social-and-environmental-aspects-of-financial-products

[4] Erweiterung von Artikel 2 um Absatz 7 in der EU-Verordnung 2017/565.

[5] Änderung in Artikel 52 Absatz 3 der EU-Verordnung 2017/565.

[6] Änderung in Artikel 54 Absatz 2a der EU-Verordnung 2017/565.

[7] Änderung in Artikel 54 Absatz 5 der EU-Verordnung 2017/565.

[8] Änderung in Artikel 54 Absatz 9 der EU-Verordnung 2017/565.

[9] Änderung in Artikel 54 Absatz 10 der EU-Verordnung 2017/565.

[10] Änderung in Artikel 54 Absatz 12 der EU-Verordnung 2017/565.

[11] Ersatz von Artikel 21 Absatz 2 und Erweiterung um Absatz 3 in der EU-Verordnung 2017/565.

[12] Änderung in Artikel 23 Absatz 1 in der EU-Verordnung 2017/565.

[13] https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/have-your-say/initiatives/12067-Sustainable-finance-obligation-on-investment-funds-to-advise-clients-on-social-environmental-aspects

[14] Definiert gemäß SFDR: „Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelange, die Achtung der Menschenrechte und die Bekämpfung von Korruption und Bestechung.“

[15] Änderung in Artikel 9 Absatz 9, 11 & 14 und Artikel 10 Absatz 2 & 5 der EU-Richtlinie 2017/593.

[16] Änderung in Artikel 9 Absatz 13 der EU-Richtlinie 2017/593.

[17] Die EBA wird hierzu im Juni 2021 ihren Final Report veröffentlichen.


 

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