Loan-to-Value Kennzahlen in der Meldewesenlandschaft

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Loan-to-Value-Kennzahlen (LTVs) gehören zu den makroprudenziellen Maßnahmen, die von den nationalen und supranationalen Bankenaufsichtsbehörden gewählt werden, um den Immobilienmarkt zu überwachen und den Kreditzyklus zu glätten. In den Empfehlungen des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken zu Zwischenzielen und Instrumenten der makroprudenziellen Politik heißt es, dass "niedrigere LTV-Begrenzungen die Widerstandsfähigkeit des Bankensystems durch geringere Ausfallquoten erhöhen" (siehe ESRB/2013/1).

Der LTV ist ein von den Kreditgebern häufig verwendetes Maß zur Bewertung des Risikos eines Kredits. Im Immobiliensektor entspricht er dem Verhältnis zwischen dem Kreditbetrag und dem Wert der Immobilie in einem Hypotheken- oder Sicherungsvertrag und wurde schon lange vor der globalen Finanzkrise verwendet. Es wurden jedoch strengere Meldepflichten eingeführt, um Missbrauch zu verhindern und um ein getreueres Abbild der Marktsituation zu erreichen. Die neuen Anforderungen können sich entweder auf den Zähler, d.h. den Wert des Kredits, oder den Nenner, der einer bestimmten Bewertung der Immobilie entspricht, auswirken. Darüber hinaus wird der LTV sowohl für regulatorische als auch für statistische Berichtszwecke verwendet.

Ziel dieses Artikels ist es, verschiedene LTV-Kennzahlen aus ausgewählten europäischen und deutschen Verordnungen vorzustellen und die Unterschiede zwischen diesen Definitionen und den damit verbundenen Anforderungen zu untersuchen. Im Folgenden zeigen wir, dass die Definitionen des LTV von einer Verordnung zur anderen variieren können.

FINREP

Die Meldebögen für die Finanzberichterstattung (FINREP), die in den entsprechenden technischen Durchführungsstandards  (Verordnung (EU) 2021/451) vorgeschrieben sind (speziell F18.02 und F23.03), verwenden das LTV-Verhältnis, um Kredite zu kategorisieren, die durch Wohn- und Gewerbeimmobilien besichert oder verpfändet sind. In den entsprechenden Reportingsheets ist eine Kategorisierung in lediglich drei Klassen vorgesehen: Darlehen mit einem LTV von mehr als 60 % und weniger als 80 %, Darlehen mit einem LTV von mehr als 80 % und weniger als 100 % sowie Darlehen mit einem LTV von mehr als 100 %. Weniger riskanten Darlehen mit einem LTV von weniger als 60 % wird keine eigene Kategorisierung zugewiesen. Kredite mit einem LTV von weniger als 60 % lassen sich dennoch ermitteln, indem man die Summe der Kredite aus allen drei Klassen von der Gesamtsumme der durch Immobilien besicherten Kredite subtrahiert. Der LTV soll hierbei als Current Loan-to-Value Ratio (LTVC) berechnet werden, wie in der ESRB-Empfehlung zur Schließung von Immobiliendatenlücken (ESRB/2016/14) definiert (siehe ESRB/2016/14):

LTVC =  

 LC 

 VC  

LC wird gemessen als der ausstehende Saldo aller Kredite und Kredittranchen, die durch die Immobilie zum Zeitpunkt der Gewährung gesichert sind, nach Berücksichtigung von Tilgungen des Hauptbetrags, Kreditumstrukturierungen, neuen Kapitalauszahlungen, aufgelaufenen Zinsen und Wechselkursänderungen (bei in Fremdwährung gewährten Krediten) bis zum Berichtszeitpunkt. Sie basiert jedoch ausschließlich auf den ausgezahlten Beträgen, d. h. sie enthält keine nicht in Anspruch genommenen Kreditlinien. Unbesicherte Darlehen, die der Kreditgeber als Teil der Wohnbaufinanzierung betrachtet, sind ebenfalls einzubeziehen.

VC spiegelt die jüngste Bewertung der Immobilie wider, ohne die potenziellen Wertsteigerungen durch geplante Renovierungs- oder Bauarbeiten zu berücksichtigen. Er sollte von einem unabhängigen Gutachter bewertet werden oder, falls eine solche Bewertung nicht verfügbar ist, sollte er anhand eines geeigneten granularen Immobilienwertindexes oder Preisindexes geschätzt werden. Der Wert soll jährlich berechnet und um den Gesamtbetrag des ausstehenden Kredits bereinigt werden, der durch vorrangige Pfandrechte an der Immobilie gesichert ist. Befindet sich die Immobilie noch im Bau, sollte der aktuelle Wert den Fortschritt der Bauarbeiten widerspiegeln.

CRR III

Während in der aktuellen Kapitaladäquanzverordnung (CRR) eine Loan-to-Value Kennzahl nicht explizit genannt wird, führt der jüngste Änderungsvorschlag der Verordnung („CRR III“) die Exposure-to-Value Ratio (ETV) für die Risikogewichtung von durch Wohn- und Gewerbeimmobilien besicherten Krediten im Standardansatz ein. Anders als der LTVC wird die ETV nach der in Artikel 124 (5) CRR III festgelegten Methode berechnet, indem der Bruttobetrag der Risikoposition durch den Immobilienwert dividiert wird.

Der Bruttobetrag der Risikoposition unterliegt den in Artikel 124 Absatz 5 festgelegten Bedingungen: Er bemisst sich nach dem ausstehenden Betrag aller Kredite und Kredittranchen, die durch die Immobilie besichert sind, und allen nicht in Anspruch genommenen, aber zugesagten Beträgen. Ferner werden Pfandrechte mit höherem oder gleichem Rang im Zähler berücksichtigt.

Die Immobilienbewertung sollte den in Artikel 208 (3) genannten Anforderungen und den in Artikel 229 (1) beschriebenen Bewertungsregeln entsprechen: Sie sollte von einem unabhängigen Sachverständigen durchgeführt werden und vorsichtige, konservative Bewertungskriterien verwenden. Außerdem darf der Wert den Marktwert der Immobilie nicht überschreiten, wenn ein solcher ermittelt werden kann. Er sollte bei Gewerbeimmobilien mindestens einmal pro Jahr und bei Wohnimmobilien einmal alle drei Jahre überprüft werden. Der Beleihungswert erfüllt diese Anforderungen und kann daher für die Berechnung des ETV herangezogen werden. Um die Auswirkungen von Konjunktureinflüssen auf die Bewertung einer Immobilie zu begrenzen, darf der Wert nur bis zum Durchschnittswert der letzten drei bzw. sechs Jahre für Gewerbe- bzw. Wohnimmobilien nach oben korrigiert werden. Änderungen, die die Energieeffizienz der Immobilie verbessern, erhöhen ihren Wert.

FinStabDEV

Auf der Grundlage von § 6 Abs. 1 des Finanzstabilitätsgesetzes (FinStabG) in Verbindung mit § 3 Abs. 1 der Finanzstabilitätsdatenerhebungsverordnung (FinStabDEV) hat die Deutsche Bundesbank eine Verordnung erlassen, die alle gewerblichen Kreditgeber zur Meldung von Daten über Wohnimmobilienfinanzierungen verpflichtet, um Risiken für die Finanzstabilität zu erkennen und zu überwachen. Diese Verordnung hat die Abgabe der Wohnimmobilienfinanzierungsstatistik (WIFSta) zur Folge und der erste Meldetermin wurde auf den 31. März 2023 festgelegt. Die WIFSta verlangt die statistische Meldung zahlreicher Beleihungswerte. Exemplarisch gehen wir hier auf den LVTV (loan-volume-to-value), der das gesamte Darlehensvolumen ins Verhältnis zum Marktwert stellt, sowie den LGTLTSV (outstanding-loans-guaranteed-to-the-most-current-long-term-sustainable-value), das Verhältnis der ausstehenden Darlehen des Darlehensgebers zum aktuellsten verfügbaren Beleihungswert, ein.

Der LVTV, wie er in der WIFSta definiert ist, misst die Summe aller Kredite, die zur Finanzierung einer Wohnimmobilie gewährt wurden (d.h. einschließlich Drittfinanzierungen), im Verhältnis zum Marktwert der Immobilie. Der Marktwert folgt der Definition der CRR als der geschätzte Betrag, zu dem die Immobilie am Tag der Bewertung nach angemessener Vermarktung im Rahmen eines zu marktüblichen Konditionen getätigten Geschäfts zwischen einem verkaufsbereiten Verkäufer und einem kaufwilligen Käufer getauscht werden könnte, wobei jede Partei mit Sachkenntnis, Umsicht und ohne Zwang handelt (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 76 CRR). Alternativ kann er über den Transaktionswert in der notariellen Urkunde über die Errichtung oder den Erwerb der Wohnimmobilie oder über ein anerkanntes Wertermittlungsverfahren auf der Grundlage von § 505c BGB geschätzt werden. Liegen mehrere Wertermittlungen vor, ist die niedrigste für die LVTV-Berechnung heranzuziehen.  

Der LGTLTSV steht in engem Zusammenhang mit dem Beleihungsauslauf, der anhand des im vorherigen Abschnitt erwähnten Beleihungswertes gemessen wird. Er bezieht sich auf den ausstehenden, vom Berichtspflichtigen gewährten Kreditbetrag im Verhältnis zum Gesamtwert aller als Sicherheit dienenden Wohn- und Gewerbeimmobilien, d. h. der Wert der finanzierten Immobilie sollte nicht in den Nenner einbezogen werden, wenn sie nicht als Sicherheit verwendet wird. Der Sicherheitenwert bezieht sich in diesem Fall auf den Beleihungswert, der den strengen Anforderungen des § 22 SolvV genügen oder nach anderen von der Aufsicht akzeptierten Verfahren (z. B. MaRisk-konforme Verfahren) ermittelt werden sollte. Vorrangige Grundpfandrechte an den als Sicherheit dienenden Grundstücken sind im Nenner abzuziehen.

Zusammenfassung und Beispiele

Vereinfacht dargestellt ergibt sich die folgende Übersicht über die Ermittlung der unterschiedlich definierten LTV-Kennzahlen:

Tabelle 1: Definition der LTV-Kennzahl in verschiedenen regulatorischen Verordnungen

Wir betrachten beispielhaft folgende Szenarien, für die der Kreditgeber, Bank A, am Ende des zweiten Quartals 2023 die LTVC, ETV, LVTV und LGTLTSV melden muss: 

Szenario 1: Im Jahr 2019 gewährte Bank A dem Kunden X ein Darlehen in Höhe von 270.000 EUR, für das der Kunde eine Wohnimmobilie erwarb, deren Beleihungswert 320.000 EUR beträgt und die als Sicherheit für das Darlehen verwendet wurde. Im Jahr 2020 nahm Kunde X bei Bank A ein weiteres Darlehen in Höhe von 30.000 EUR für die Renovierung von Badezimmern auf, das ebenfalls durch die erworbene Immobilie besichert war. Anfang 2022 führte Kunde X eine weitere größere Renovierung durch und installierte eine Wärmepumpe und Sonnenkollektoren aus eigenen Mitteln. Dies erhöht den Beleihungswert um 40.000 EUR. Der Marktwert der Immobilie ist im Laufe der Zeit gestiegen und ein unabhängiger Gutachter schätzte ihren Marktwert im März 2022 auf 500.000 EUR. Zum 30. Juni 2022 hat Kunde X nach Rückzahlungen eine Restschuld von 220.000 EUR bei der Bank A. 

Szenario 2: Anfang 2022 gewährt Bank A dem Kunden Y eine zugesagte, nicht revolvierende Kreditlinie in Höhe von 5.000.000 EUR für die Renovierung eines Mehrfamilienhauses, dessen Marktwert auf 7.000.000 EUR geschätzt wird. Der Beleihungswert beträgt 5.500.000 EUR. Das Haus befindet sich im Eigentum von Kunde Y. Das Darlehen ist durch ein Grundpfandrecht an dem Mehrfamilienhaus besichert und es bestehen sonst keine Vorlasten. Zum 30. Juni 2022 hat Kunde Y 1.300.000 EUR abgerufen.  

Szenario 3: Kunde Z plant den Kauf eines Wohnkomplexes und hat am 30. Juni 2022 eine Finanzierung in Höhe von 30.000.000 EUR für den Erwerb gesichert. Die Hälfte des gesammelten Kapitals wurde von Bank C, dem größten Hypothekarkreditgeber des Landes, gewährt. Bank A stellte ein zusätzliches Darlehen in Höhe von 8.000.000 EUR für die Immobilie zur Verfügung, auf der sie ein nachrangiges Pfandrecht hält. Der restliche Betrag wurde von fünf weiteren kleineren Banken gewährt und durch verschiedene andere Sicherheiten abgesichert. Der Beleihungswert des Wohnkomplexes, der von einem unabhängigen Gutachter zum Zeitpunkt der Kreditvergabe ermittelt wurde, beläuft sich auf 40.000.000 EUR. Der Marktwert der Immobilie beträgt 45.000.000 EUR.

Tabelle 2: Zusammenfassung der im Aufgabentext gegebenen Kennzahlen

Tabelle 3: Zusammenfassung der im Aufgabentext gegebenen Kennzahlen

Mit dem Finbridge-Erfolgsmodell zum Ziel

Finbridge unterstützt Sie gerne bei der Umsetzung der Anforderungen im Meldewesen. Unsere Expertinnen und Experten haben teils selbst bei der Bundesbank, dem SRB (Single Resolution Board) und Anbietern von Meldewesen-Software gearbeitet. Sie sind am Markt in Vorstudien und Umsetzungsprojekten im Kontext der Einführung von Datenmodellen und Datenhaushalten sowie im Aufsichtsrecht, der statistischen Meldungen und der Abwicklungsplanung mit langjähriger Erfahrung aktiv und können Sie bei all den Herausforderungen mit fundierter Erfahrung und Expertise wertstiftend unterstützen. Aufgrund unseres umfangreichen Fachwissens in der Gesamtbanksteuerung, gekoppelt mit weitreichender umsetzungsorientierter Praxiserfahrung rund um das Regulatory Reporting, können wir flexibel auf Ihre Wünsche und Institutsspezifika eingehen und begleiten Sie bis zur Erfüllung der Erwartungen der Aufsichtsbehörden.

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