Cashflows innerhalb der Bankarchitektur

 

Ausgangslage

Viele Banken haben bereits einen zentralisierten Datenhaushalt (DWH) in ihre IT-Landschaft eingeführt. Die Erzeugung von Cashflows erfolgt jedoch häufig dezentral und abhängig vom bestandsführenden System bzw. abnehmerspezifisch.

Verwendet werden Cashflows beispielsweise im

  • Risikocontrolling zur Ermittlung verschiedener Risikokennzahlen (Fair Value, Amortized Cost Value, Exposure at Default, Risikovorsorge, …),

  • Treasury für die Liquiditätssteuerung,

  • Meldewesen für die Liquiditätsmeldungen,

  • IFRS-Accounting für die Restlaufzeitengliederung in den Notes-Angaben.

Die allgemeine Geschäftsmenge bildet dabei das bilanzielle Geschäft (HGB/IFRS, aktiv/passiv), außerbilanzielles Geschäft (bspw. Zusagen, interne Geschäfte, Derivate) und nicht-Finanzinstrumente (bspw. Pensionsrückstellungen, Girokonten, etc.). Somit sind verschiedene bestandsführende Systeme betroffen.

Dieser Artikel soll verschiedene Möglichkeiten von Cashflow-Lieferstrecken innerhalb einer Bankarchitektur aufzeigen und deren Vor- und Nachteile erläutern.

Bevor näher auf die möglichen Cashflow-Lieferstrecken eingegangen wird, werden die wesentlichen inhaltlichen Anforderungen an die Cashflows aufgezeigt.

Anforderungen der Banksteuerung an die Cashflows

Für jeden Cashflow-abnehmenden Bereich einer Bank ist es notwendig Cashflows auf Einzelgeschäftsebene bereitzustellen. Zum einen da viele Risikokennzahlen am Einzelgeschäft angegeben werden müssen (z. B. Fair Value), aber auch zur Nachvollziehbarkeit der ermittelten Kennzahlen für die interne Revision oder den Wirtschaftsprüfer.

Dabei sind die wesentlichen Cashflow-Ereignisse

  • Auszahlung,

  • Rückzahlung (Tilgung, Sondertilgung),

  • Zins,

  • Kapitalisierung,

  • Agio/Disagio,

  • Bearbeitungsgebühren.

Zur Nachvollziehbarkeit des ermittelten Zins-Cashflows, sollten zusätzliche Informationen am Cashflow verfügbar sein, wie bspw. der Zeitpunkt des Fixings (bei variablem Geschäft), die Anzahl an Tagen in der Zinsperiode (yearpart) und der Zinssatz.

Es muss sowohl ein vertraglicher als auch ein erwarteter Cashflow berechnet werden. Der vertragliche Cashflow wird auf Basis der vertraglich fixierten Konditionen berechnet und dient als Ausgangspunkt für die Berechnung des erwarteten Cashflows. Der erwartete Cashflow beinhaltet bspw. die Modellierung von Zusagen, Optionen und Nebenabreden. Bei Letzteren handelt es sich um den Vertrag ergänzende Klauseln; häufig verwendete Nebenabreden sind bspw. Kündigungsrechte, Sondertilgungsoptionen, Cap / Floor und Zinsperiodenwechseloptionen.

Varianten der Cashflow-Lieferstrecke innerhalb der Bankarchitektur

Wir wollen zwischen einer zentralen und einer dezentralen Cashflow-Lieferstrecke unterscheiden.

Eine dezentrale Berechnung von Cashflows führt unter anderem zu Herausforderungen bei der Einhaltung der BCBS 239-Prinzipien[1]. Um die Konsistenz innerhalb der Bank sicherzustellen, müssen die Cashflows auf der Lieferstrecke miteinander abgeglichen werden; dabei können die Abgleiche aufgrund der großen Datenmengen sehr aufwändig sein.

Bei Verwendung einer zentralen Cashflow-Evidenz, die von verschiedenen bestandsführenden Systemen über einen zentralen Datenhaushalt versorgt wird und an deren Output sich verschiedene abnehmende Bereiche bedienen, können Prozesse verschlankt und Daten konsistent und BCBS 239-konform gehalten werden. Voraussetzung für die Nutzung einer zentralen Cashflow-Evidenz ist ein zentraler Datenhaushalt innerhalb der Bankarchitektur.

In der Praxis kann man jedoch häufig keine Klassifizierung der Cashflow-Lieferstrecke in 'zentral' oder 'dezentral' treffen, da aufgrund historisch gewachsener Systemlandschaften die Cashflow-Lieferstrecken gegebenenfalls kompliziert sein können. Im Folgenden wollen wir verschiedene Varianten von Cashflow-Lieferstrecken aufzeigen. Bei jeder dieser Varianten ist ein zentraler Datenhaushalt (DWH) Voraussetzung.

Abb. 1: Varianten der Cashflow-Lieferstrecke innerhalb der Bankarchitektur

Variante 1: Cashflow-Engine integriert in zentrales DWH

Die für die Erzeugung von Cashflows relevanten Vertrags- und Marktdaten werden über einen zentralen Datenhaushalt in eine Cashflow-Engine gemappt. Diese Engine berechnet dann produktspezifisch und vorsystemunabhängig die Cashflows. Daraufhin werden die Cashflows über den zentralen Datenhaushalt an die abnehmenden Systeme geliefert.         
Der Vorteil dieser Variante ist, dass sowohl für verschiedene bestandsführende Systeme als auch für verschiedene abnehmende Systeme dieselben Cashflowstrukturen in der Banksteuerung generiert bzw. verwendet werden und die Daten somit konsistent sind.       
Die Herausforderung dabei ist, dass die Cashflows abwandelbar bzw. stressbar in den unterschiedlichen abnehmenden Systemen sein müssen, sodass verschiedene Szenarien verprobt werden können (z.B. Zinskurvenshift um einen Basispunkt).

Variante 2: Cashflow-Anlieferung aus Vorsystem über DWH

Die Cashflows der Vorsysteme werden über einen zentralen Datenhaushalt in die abnehmenden Systeme übertragen. Diese Variante findet teilweise Anwendung in Banken, die initial nur ein oder wenige Vorsystem(e) im Einsatz hatten und die mit der Zeit erweitert wurden.   
Die Variante hat zwei wesentliche Schwachstellen. Die meisten Vorsysteme können Cashflows nicht in der Qualität bzw. mit den Funktionalitäten bereitstellen, die für die Banksteuerung relevant sind (z. B. Forwardraten-Berechnung bei variablen Darlehen; Berücksichtigung zukünftiger, bereits vertraglich vereinbarter Konditionenänderungen). Diese Funktionalitäten müssen dann in den abnehmenden Systemen ergänzt werden, so dass letztendlich die gleichen Berechnungen in verschiedenen Systemen erfolgen. Die Ergebnisse werden daraufhin miteinander abgeglichen, um die Datenkonsistenz zu gewährleisten. Eine weitere Herausforderung ergibt sich für das Kreditgeschäft in Form der erforderlichen Funktionstrennung von Markt und Marktfolge gemäß  MaRisk[2]. Daher ist es für Kreditgeschäfte erforderlich die Cashflows separat für das Risikomanagement zu generieren.
Der Vorteil dieser Variante gegenüber den anderen Varianten ist, dass kein neues System zur Cashflow-Generierung eingeführt werden muss und somit weniger Aufwand entsteht.

Variante 3: Hybride Cashflow-Lieferstrecke

Für einen Teil der Vorsysteme werden die Cashflows aus dem Vorsystem direkt oder über den zentralen Datenhaushalt in das abnehmende System gespielt, für andere Vorsysteme werden sie in einer Cashflow-Engine gerechnet.      
Hybridlösungen entstehen meist historisch, weil Banken beispielsweise einen zentralen Datenhaushalt einführen, jedoch nicht alle Systeme daran anbinden und „alte“ Schnittstellen aufrechterhalten (siehe Abb. 1 Variante 3, Vorsystem „a“ zu abnehmendem System „A“). Andere Vorsysteme werden wiederum an den zentralen Datenhaushalt angebunden, wobei die Cashflows aus dem Vorsystem übernommen werden (siehe Abb. 1 Variante 3, Vorsysteme „b“, „c“ zu abnehmenden Systemen „B“, „C“, „N“) und für wieder andere Vorsysteme erfolgt die Cashflow-Berechnung in einer an den zentralen Datenhaushalt angebundenen Cashflow-Engine (siehe Abb. 1 Variante 3, Vorsysteme „d“, „m“ zu abnehmenden Systemen „B“, „C“, „N“).      
Bei dieser Variante handelt es sich um eine Mischform aus den Varianten 1 und 2. Aus architektureller Sicht wäre eine Umsetzung gemäß Variante 1 zu bevorzugen. Es ist aber möglich, dass sich nach einer Kosten- und Nutzenanalyse die Variante 3 als vorteilhafter herausstellt, da für bestimmte Finanzprodukte bzw. bestandsführende Systeme bereits geeignete Schnittstellen in der Lieferstrecke implementiert sind.

Variante 4: Risikosystem mit integrierter Cashflow-Engine

Diese Variante beinhaltet die Nutzung eines zentralen Risikosystems und Speicherung der Cashflows in einem zentralen Datenhaushalt.       
Analog zu Variante 1 werden für alle Vorsysteme die Cashflows in einer Cashflow-Engine berechnet. Abweichend zu Variante 1 ist diese Engine jedoch in ein zentrales Risikosystem integriert. Das heißt die Cashflows werden innerhalb eines Systems „on the fly“ erzeugt und direkt für die Berechnung von Kennzahlen (z. B. Fair Value, VaR, LCR, …) verwendet. In dieser Variante können leicht Stressszenarien aufgesetzt werden, die ein direktes Zusammenspiel zwischen Cashflow-Engine und Risikoanwendungen beinhalten.  
Für Banken, die ein zentrales Risikosystem im Einsatz haben, ist es am vorteilhaftesten dieses System auch als Cashflow-Engine zu nutzen und die Cashflows im zentralen DWH zu speichern. Die Einführung eines zentralen Risikosystems ist allerdings mit hohem Aufwand verbunden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass alle Varianten Vor- und Nachteile aufweisen.         

  • In Variante 1 (Cashflow-Engine integriert in zentrales DWH) sind die Cashflows normiert und mit derselben Logik berechnet; alle Abnehmer sind in der Lieferstrecke nach dem Cashflow-Generator angesiedelt und müssen die entsprechende Logik annehmen.  

  • Variante 2 (Cashflow-Anlieferung aus Vorsystem über DWH) entspräche einer dezentralen Lieferstrecke und wäre akzeptabel, wenn die Logik der Berechnung der Cashflows in den verschiedenen Systemen identisch wäre. Das ist jedoch aufgrund der unterschiedlichen Geschäfts- und Vorsystemwelt einer Bank in der Regel nicht möglich.

  • Bei Variante 3 (Hybride Cashflow-Lieferstrecke) handelt es sich im Wesentlichen um eine Mischform der zuvor genannten Varianten mit dem Zusatz, dass auch direkte Schnittstellen zwischen Vorsystem und abnehmendem System existieren. Aus architektureller Sicht ist diese Variante nicht zu empfehlen, aufgrund einer historisch gewachsenen Systemlandschaft ist eine solche oder ähnliche Variante jedoch gegebenenfalls nicht vermeidbar.  

  • Variante 4 (Risikosystem mit integrierter Cashflow-Engine) ist aus architektureller Sicht die geeignetste Lösung; sie bedarf jedoch einer aufwändigen Integration eines zentralen Risikosystems.

In der Praxis haben Banken eine historisch gewachsene Systemlandschaft mit einer Vielzahl verschiedener Produkte, sodass eine individuelle, sinnvolle Lösung erarbeitet und umgesetzt werden muss!

Quellen

[1] BCBS “Progress in adopting the Principles for effective risk data aggregation and risk reporting.” 29. April 2020. https://www.bis.org/bcbs/publ/d501.htm

[2] Rundschreiben 10/2021 (BA) - Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Rundschreiben/2021/rs_1021_MaRisk_BA.html;jsessionid=670408253F55B5779A6A1632AC20A1AC.1_cid500?nn=9450904#doc16502162bodyText34


Wie Finbridge Sie unterstützt

Wir analysieren Ihre aktuelle Cashflow-Lieferstrecke, Ihre Anforderungen und erarbeiten mit Ihnen gemeinsam die für Ihre Bedürfnisse optimale Lösung für eine möglichst zentralisierte Cashflow-Lieferstrecke. Ebenso bieten wir eine fachbereichsübergreifende Unterstützung der Umsetzung sowie das Testen der Anforderung nach erfolgter Umsetzung.

Als langjähriger verlässlicher Partner bei Umsetzungsprojekten bringen wir unser Wissen auf breiter Basis für Analyse, Umsetzung und Begleitung Ihrer Projekte mit. Durch sowohl technische als auch fachliche Begleitung der Einführung von Systemen zur Berechnung von Cashflows, konnten wir bereits erfolgreich Projekte abschließen.

SPRECHEN SIE UNS GERNE FÜR WEITERE INFORMATIONEN AN.


 

Team

 

Sarah Fatemi

Associate Manager

Business Consulting

Sarah.Fatemi at finbridge.de

LinkedIn

 

Mehr Insights und Themen