Follow-Up: Liquidität in der Abwicklungsplanung

Photo by Collins Lesulie auf Unsplash.com, Download am 15.11.22

 

Ausgangslage

Liquidität in der Abwicklung stellt einen aktuellen Arbeitsschwerpunkt des Single Resolution Board (SRB) im Bereich der Abwicklungsplanung dar. Bereits im Juni dieses Jahres widmeten wir dem Thema eine Veröffentlichung, die aufzeigte, welcher Handlungsbedarf besteht und noch auf die Banken zukommen wird.

Seitdem ist viel passiert: Neben den Aktualisierungen und dem Fine-Tuning der zu berechnenden Liquiditätsszenarien (Prinzip 3.1 der Expectations for Banks (EfB)) arbeiteten die Institute aktuell daran, nicht marktfähige Forderungen, die als Collateral in der Abwicklung dienen könnten, zu identifizieren und deren Mobilisierung zu konzipieren (Prinzip 3.3 der EfB). Außerdem haben die meisten Banken bereits eine Mitteilung über die Arbeitsschwerpunkte für das Jahr 2023 erhalten. Übergreifende Anforderung ist, wie erwartet, das Prinzip der Messung und Reporting der Liquiditätssituation in der Abwicklung (Prinzip 3.2).

Abbildung 1: Darstellung der Prinzipien zu Liquidität und Funding in der Abwicklung

Mit dem vorliegenden Insight wollen wir dieses Momentum aufgreifen und anhand von Beispielen zeigen, welche Ansätze zur Erfüllung der aufsichtlichen Anforderungen gewählt werden können.

Schätzung des Liquiditätsbedarfs

Bekannterweise wird im Rahmen der Expectations for Banks von den Banken erwartet, jährlich mindestens ein fast-moving und ein slow-moving Liquiditätsszenario für eine hypothetische Abwicklung darzustellen.

Abbildung 2: Darstellung der zu erstellenden Liquiditätsszenarien

Wie in Abbildung 2 dargestellt, soll beim fast-moving Szenario der Eintritt des Abwicklungsfalls höchstens drei Monate nach Beginn der Krise eintreten und beim slow-moving Szenario nach nicht weniger als 12 Monaten. Diese unterschiedlichen Zeiträume haben Auswirkungen auf die Dynamik sowie die zu bedenkenden Ereignisse im Verlauf des Szenarios. So können beispielswese beim slow-moving Szenario Sanierungsmaßnahmen gemäß dem Sanierungsplan verwendet werden. Dies stellt zusätzliche Herausforderungen für die Banken dar, da zuerst die relevanten Sanierungsmaßnahmen identifiziert und ihre Auswirkungen im Rahmen des Szenarios quantifiziert werden müssen.

Ein entscheidender Punkt bezüglich der Erstellung der Szenarien ist, dass diese nicht explizit vom SRB vorgegeben werden, sondern im Rahmen der Arbeiten selbst von den Instituten entwickelt werden sollen. Dabei stellt sich prinzipiell die Frage, welche Modellannahmen zur Erstellung der Szenarien von den Instituten getroffen werden. Annahmen, die wiederum auch bei den Arbeiten zu Prinzip 3.2 (siehe unten) konsistent anzuwenden sind. Eine grundlegende Vorgabe seitens des SRB ist, dass das betroffene Institut in den Szenarien jeweils an einem bestimmten Zeitpunkt auf Grund eines idiosynkratischen Schocks und ausschließlich wegen seiner Liquiditätssituation den Failing-or-likely-to-fail-Zustand (FOLTF) erreicht. Diese Vorgabe stellt einen wesentlichen Unterschied zu anderen Stress-Szenarien dar, die im Bereich der Liquidität bisher gefordert gewesen sind. Auf diese Art sollen explizit Abwicklungsspezifika bedacht und analysiert werden. So lassen sich beispielsweise durch das Annehmen extremer Werte von bekannten Stressfaktoren, etwa aus dem Sanierungsplan, das Erreichen des FOLTF-Zustands herbeiführen und die Implikationen quantifizieren.

Zur Erstellung der Liquiditätsszenarien besteht außerdem die Frage, welche Datengrundlage für die Erstellung der Szenarien verwendet werden soll. Ein häufig verwendeter Ansatz ist hierbei, die Liquiditätsablaufbilanz (LAB) als Grundlage der Berechnungen zu verwenden. Das SRB technical staff working paper setzt mit der Verwendung des Meldebogens „maturity ladder“ aus der AMM-Meldung ebenfalls auf dieser Grundlage auf. Hierbei muss beachtet werden, dass die LAB per se von einer Stichtagsbetrachtung ausgeht. Dies bedeutet zum Beispiel, dass die LAB ohne Weiteres keine Betrachtung von Neugeschäft während des Verlaufs der Szenarien zulässt. Neugeschäfte können aber einen relevanten Einfluss auf die Liquiditätsströme in den Szenarien nehmen und sollten daher betrachtet werden.

Identifikation und Mobilisierung von Collateral

Wie in unserem Beitrag vom Juni 2022 erläutert, lassen sich die Anforderungen zur Identifikation und Mobilisierung von Collateral in prozessuale sowie datentechnische Anpassungen untergliedern. Während bisher eine Beleuchtung der Prozesse rund um das Liquiditäts- und Collateral Management, beispielsweise in Form der vom SRB geforderten Collateral Note, im Vordergrund stand, werden Anpassungen im Datenhaushalt der Institute nun ein aktuelleres Thema sein. Manche Banken besitzen in ihren bestandsführenden Systemen bislang keine Datenangaben zur Transferier- oder Abtretbarkeit für nicht zentralbankfähige und nicht marktfähige Assets. Dies zu ändern, erfordert konzeptionelle Arbeit verschiedenster Abteilungen, angefangen bei den Marktfolge- und Vertriebseinheiten und den Rechtsabteilungen bis hin zum Liquiditätsmanagement und dem Risiko-Controlling. Dazu kommen prozessuale Anpassungen, um die entsprechende Datenqualität zu erreichen und die Informationen schließlich auch auswertbar zu machen.

Erst wenn dieser Grundstein gelegt ist und entsprechend mobilisierbare Vermögenswerte identifiziert werden können, können weiterführende Prozesse, wie das Monitoring der unbelasteten Vermögenswerte, und schließlich die operationellen Schritte zur tatsächlichen Sicherheiten-Stellung durchgeführt werden. Konzeptionelle Vorarbeit kann hier bereits erfolgen: Wichtige Unterschiede bei der Operationalisierung können darin bestehen, um was für Produkte oder Gegenparteien es sich handelt oder insbesondere, ob die betroffenen Geschäfte selbst dinglich besichert sind, was juristische Herausforderungen bei einer Stellung als Collateral mit sich bringen würde.

Arbeiten im Jahr 2023

Wie erwartet hat das SRB den Instituten im Oktober 2022 über seine working priorities für 2023 mitgeteilt, dass im kommenden Jahr die Messung sowie das Reporting der Liquiditätssituation in der Abwicklung (Prinzip 3.2 der EfB) einen für alle Institute in der Bankenunion geltenden Arbeitsschwerpunkt bilden wird. Prinzip 3.2 schreibt vor, dass die Banken Prozesse einrichten und Fähigkeiten entwickeln sollen, um ihren Liquiditäts- und Finanzierungsbedarf im Abwicklungsfall sowie verfügbare Liquiditätsquellen messen und berichten zu können - beides auf der Ebene der Abwicklungsgruppe und auf der Ebene der Key Liquidity Entities (KLEs), die der Abwicklungsgruppe angehören.

Die Veröffentlichung einer spezifischen Operational Guidance für das Prinzip 3.2 wird Anfang 2023 erwartet. Einige Anforderungen sowie konkrete Lieferobjekte stehen bereits jetzt fest. So fordert das SRB unter anderem, dass die von ihm beaufsichtigen Institute in der Lage sein müssen, die standardisierten Datenpunkte des sogenannten joint liquidity template im Abwicklungsfall bereitzustellen. Dieses Template basiert auf dem SSM Liquidity Template, das von der Europäischen Zentralbank (EZB) entwickelt wurde und im gesamten Geltungsbereich des Single Supervisory Mechanism (SSM) für die hochfrequente Überwachung der Liquidität der Banken verwendet wird. Es umfasst unter anderem Daten zum Liquiditätsdeckungspotenzial, zu Zahlungsein- und Zahlungsausgängen entlang verschiedener Laufzeit-Buckets, zur Nettoliquiditätsposition sowie zu gestelltem Collateral. Auf diesem Weg müssen Institute ihre Fähigkeiten zur Datenbereitstellung beim Thema Liquidität umfassend bewerten und perspektivisch ausbauen.

Gegenwärtig steht das joint liquidity template den Instituten noch nicht zur Verfügung. Es wird den Banken genauso wie weiterführende Informationen zum Vorgehen sowie das genaue Bereitstellungsdatum voraussichtlich im Frühjahr 2023 übermittelt. Mit Blick auf solche Institute, die bereits das SSM Liquidity Template melden, wird sich das SRB zur Vermeidung von Doppelmeldungen eng mit der EZB abstimmen. Zum aktuellen Zeitpunkt ist zu erwarten, dass das Template im Herbst 2023 bereitzustellen sein wird.

Zusätzlich zur Lieferung der Templates sind die Institute dazu aufgerufen, eine Selbsteinschätzung einzureichen, die etwaige Probleme hinsichtlich ihrer Fähigkeit aufzeigen, ebendiese Datenpunkte zu liefern. Spätestens einen Monat nach Ende der Bereitstellungsfrist des joint liquidity templates haben die Institute eine solche Selbsteinschätzung unter Aufführung von Maßnahmen, mit denen sie den Mängeln entgegenwirken, dem für sie zuständigen Internal Resolution Team (IRT) zu übermitteln.

Weiterführende Informationen sollen in Form einer Note zu Messungs- und Reportingkapazitäten Ende Juni 2023 an das SRB übergeben werden. Darin sollen die Institute im weiteren Sinne ihre Fähigkeit analysieren, im Abwicklungsfall die Liquiditätssituation genau zu erfassen und zu berichten. Konkret sollen Governance-Aspekte sowie IT-Systeme betrachtet werden. Speziell soll auch die Kapazität, tagesaktuellen, in verschiedenen Zeiträumen anfallenden Liquiditätsbedarf zu ermitteln, untersucht und dokumentiert werden.

Interne Prozesse und Schlüsselverantwortlichkeiten für die Überwachung und Meldung von Liquiditätsrisiken müssen festgelegt werden. Hier können und sollen die Institute auf bereits bestehende Arbeiten zu dem Themengebiet zurückgreifen. Es soll explizit ein Eskalationsprozess dokumentiert und die einzelnen Verantwortlichkeiten dabei bestimmt werden. Weiter wird eine Integration der Arbeiten zum Liquiditätsmonitoring in die internen Risikosysteme genannt. Zusätzlich wird eine Dokumentation der Qualitätssicherungsmechanismen für die zu bereitstellenden Daten erwartet.

In Hinsicht auf IT-Systeme verlangt das SRB die Schaffung einer hochfrequenten Überwachung der Liquidität und der Berichterstattung auf Ebene der Abwicklungsgruppe sowie auf Einzelebene aller Key Liquidity Entities (KLEs) und für alle wesentlichen Währungen. Es wird erwartet, dass die Systeme sowie die verwendeten Datenpunkte und die internen Verantwortlichkeiten für die verwendeten Informationen genannt werden. Des Weiteren sollen Abhängigkeiten, die konträr zur Erfüllung der Anforderung stehen, explizit benannt und analysiert werden. In der Folge sind entsprechende Maßnahmen zu ergreifen, um den Risiken aus diesen Abhängigkeiten entgegenzuwirken. 

Abbildung 3: High-Level Darstellung der zu erwartenden Anforderungen für das Jahr 2023

Insgesamt erinnert das Vorgehen an andere Themengebiete der Abwicklungsplanung, wie die Bail-in-Umsetzung oder die operationelle Betriebskontinuität. Nach einer Findungsphase, in der Fähigkeiten zur Datenbereitstellung und Governance-Strukturen im Status quo ermittelt werden, folgt die Konkretisierung von Anforderungen in immer zunehmendem Detailgrad. Dies betrifft die fachliche Konzeption, die Datenbereitstellung, IT-Systeme, Prozesse, die Governance sowie die entsprechende Operationalisierung und deren Dokumentation.


Finbridge als Ihr Partner für die Abwicklungsplanung

Finbridge unterstützt Sie gerne bei der Umsetzung der Anforderungen zur Abwicklungsplanung. Unsere Expertinnen und Experten haben teils selbst bei der Bundesbank, dem SRB und Anbietern von Meldewesensoftware gearbeitet. Sie sind am Markt in Vorstudien, Proberechnungen und Umsetzungsprojekten im Kontext Abwicklungsplanung und Aufsichtsrecht mit langjähriger Erfahrung aktiv und können Sie bei all den Herausforderungen mit fundierter Erfahrung und Expertise wertstiftend unterstützen. Aufgrund unseres umfangreichen Fachwissens in der Gesamtbanksteuerung, gekoppelt mit weitreichender umsetzungsorientierter Praxiserfahrung rund um die Abwicklungsplanung, können wir flexibel auf Ihre Wünsche und Institutsspezifika eingehen und begleiten Sie bis zur Erfüllung der Erwartungen der Abwicklungsbehörden.

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