Auswirkungen von Klimarisiken auf die IFRS- und HGB-Bilanz

Photo by Joao Vitor Marcilio on Unsplash, Download 16.01.2023

 

In den letzten Jahren sind die Auswirkungen des Klimawandels auf Wirtschaft und Gesellschaft noch stärker in den Fokus von Politik und Öffentlichkeit getreten. Nicht erst seit der Verabschiedung der EU-Taxonomie-Verordnung (vgl. Sustainable Finance – Die EU-Taxonomie — Finbridge GmbH & Co KG) schlägt sich diese Thematik auch zunehmend auf die Bilanzen der Unternehmen nieder. Bereits im Jahr 2019 wurden von EZB und Bafin eine Reihe von Erwartungen formuliert, wie Banken mit Klima- und Umweltrisiken umgehen sollen.[i] Im Jahr 2021 war die klimabezogene Berichterstattung einer der Prüfungsschwerpunkte der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA).[ii] Es ist davon auszugehen, dass die Bilanzierung von klimabezogenen Themen in Zukunft eine noch größere Rolle spielen wird.

Ziel dieses Artikels ist es, eine Übersicht über die zur Bilanzierung von Klimarisiken relevanten IFRS-Standards bzw. HGB-Paragrafen zu geben und anhand von Beispielen zu illustrieren.

In diesem Artikel verstehen wir unter „Klimarisiken“ alle Risiken, die im Zusammenhang mit dem Klimawandel und seinen Folgen entstehen. Diese Risiken unterteilen wir weiter in die folgenden zwei Subkategorien:

  1. Physische Risiken: Risiken durch das verstärkte Auftreten von extremen Wetterereignissen und hohen Temperaturen

  2. Transitorische Risiken: Risiken durch die Folgen der Bemühungen zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes. Dies meint sowohl politische Bemühungen („Top-Down“) zur Bekämpfung des Klimawandels als auch Änderungen von Verbraucherpräferenzen durch stärkere Sensibilisierung der Bevölkerung („Bottom-Up“).

Übersicht über die relevanten IFRS-Standards

Aktuell werden klimabezogene Sachverhalte nicht explizit in den IFRS-Standards erwähnt, allerdings wurden von der IFRS-Foundation bereits im Jahr 2020 verschiedene Rechnungslegungsstandards identifiziert, aus welchen die Notwendigkeit zur Berücksichtigung klimabezogener Sachverhalte in der Bilanz abgeleitet werden kann.[iii] Diese sind im Folgenden aufgelistet.

IFRS 9: Finanzinstrumente

  1. Durch klimabedingte Faktoren kann das Risiko von Kreditverlusten für einen Kreditgeber steigen. Außerdem könnten Vermögenswerte unzugänglich oder unversicherbar werden, was sich auf den Wert der Sicherheiten auswirkt. Bei der Erfassung und Bewertung von erwarteten Kreditverlusten verlangt IFRS 9 die Verwendung von allen angemessenen und vertretbaren Informationen, die ohne unangemessene Kosten oder Aufwand zur Verfügung stehen. Klimabezogene Aspekte können daher relevant sein. Es kann z.B. auf eine Reihe von Studien über die Auswirkung des Klimawandels zugegriffen werden.

    Ein detailliertes Beispiel wird im nächsten Abschnitt besprochen.

  2. IFRS 9 ist außerdem relevant für die Bewertung von Finanzinstrumenten, deren Cashflow vom Erreichen von ESG-Kriterien abhängt („Green Bonds“, vgl. Bilanzierung von Green Bonds anhand von Beispielen — Finbridge GmbH & Co KG)

IFRS 7: Finanzinstrumente: Angaben

IFRS 7 schreibt die Offenlegung von Informationen über die Finanzinstrumente eines Unternehmens vor. Dies beinhaltet Informationen über die Art und das Ausmaß von Risiken, die aus diesen Finanzinstrumenten entstehen und wie das Unternehmen diese Risiken steuert. Klimabezogene Faktoren können Risiken für die von einem Unternehmen gehaltenen Finanzinstrumente darstellen. Für Inhaber von Kapitalbeteiligungen kann es erforderlich sein, Informationen über Investitionen nach Branchen oder Sektoren bereitzustellen.

Konkret betroffen sein können zum Beispiel Beteiligungen an Unternehmen, welche besonders stark vom Klimawandel betroffen sind, wie z.B. Energieversorger oder Automobilzulieferer.

IAS 36: Impairment

Klimabezogene Faktoren können zu einer Wertminderung von Vermögensgegenständen führen. Gemäß IAS 36 können externe Informationen, wie signifikante Änderungen im Unternehmensumfeld (einschließlich zum Beispiel Änderungen in der Regulierung), die sich nachteilig auf das Unternehmen auswirken, ein Hinweis auf eine Wertminderung sein. Wenn der erzielbare Betrag unter Verwendung des Nutzungswertes (Value in Use) geschätzt wird, verlangt IAS 36 von einem Unternehmen dazu die künftigen Cashflows, die es aus einem Vermögenswert zu erzielen erwartet, zu schätzen und Erwartungen über mögliche Schwankungen der Höhe oder des Zeitpunktes dieser künftigen Cashflows zu berücksichtigen. Ein Unternehmen ist verpflichtet, die Cashflow-Prognosen auf vernünftige und belegbare Annahmen zu stützen, welche die beste Einschätzung der Geschäftsleitung hinsichtlich zukünftiger wirtschaftlicher Bedingungen darstellen. Dies verlangt von den Unternehmen, dass sie berücksichtigen, ob klimabezogene Faktoren diese vernünftigen und vertretbaren Annahmen beeinflussen. IAS 36 fordert die Angabe der Ereignisse und Umstände, die zur Erfassung eines Wertminderungsaufwands geführt haben. Die Angabe der wesentlichen Annahmen, die zur Schätzung des erzielbaren Betrags des Vermögenswerts verwendet wurden, sowie Informationen über Änderungen dieser Annahmen, ist unter bestimmten Umständen ebenfalls erforderlich.

Konkret kann es zum Beispiel zu einem Impairment bei im Besitz des Unternehmens befindlichen Industrieanlagen kommen, welche einen hohen CO2-Ausstoß verursachen.

IFRS 13: Bemessung des beizulegenden Zeitwerts

Klimabezogene Aspekte können sich auf die Bewertung von Vermögenswerten und Verbindlichkeiten zum beizulegenden Zeitwert in der Bilanz auswirken. Zum Beispiel könnten die Ansichten der Marktteilnehmer über potenzielle klimabezogene Gesetzgebung den beizulegenden Zeitwert eines Vermögenswertes oder einer Verbindlichkeit beeinflussen. Insbesondere Bewertungen des beizulegenden Zeitwerts, die in Stufe 3 der Hierarchie des beizulegenden Zeitwerts eingestuft sind, nutzen nicht beobachtbare Inputfaktoren. Nicht beobachtbare Inputfaktoren sollen die Annahmen widerspiegeln, die die Marktteilnehmer zur Bewertung nutzen würden, einschließlich Klimarisiken. IFRS 13 verlangt bei Bewertungen zum beizulegenden Zeitwert und bei wiederkehrenden Bewertungen zum beizulegenden Zeitwert eine Beschreibung der Sensitivität dieser Bewertung in Bezug auf Änderungen der nicht beobachtbaren Inputfaktoren, wenn eine Änderung dieser Inputfaktoren zu einem wesentlich höheren oder niedrigeren beizulegenden Zeitwert führen könnte.

Konkret könnte zum Beispiel der Wert von Anteilen an einem Automobilhersteller sinken, sollten Zweifel daran bestehen, dass dieser sein Produktangebot an zukünftig zu erwartende strengere Vorgaben zum CO2-Auststoß von Kraftfahrzeugen anpassen kann.

IAS 1: Darstellung des Abschlusses

Schätzungsunsicherheiten und Grundlagen für wesentliche Ermessens-entscheidungen: Wenn die Annahmen, die ein Unternehmen über die Zukunft trifft, ein erhebliches Risiko darstellen, dass es zu einer wesentlichen Anpassung der Buchwerte von Vermögenswerten und Schulden innerhalb des nächsten Geschäftsjahres kommen könnte, verlangt IAS 1 die Angabe von Informationen über diese Annahmen sowie die Art und den Buchwert dieser Vermögenswerte und Schulden. Dies bedeutet, dass die Offenlegung von Annahmen über klimabezogene Sachverhalte erforderlich sein könnte. Beispielsweise wenn diese Sachverhalte zu Unsicherheiten führen, die sich auf Annahmen, die zur Entwicklung von Schätzungen verwendet werden, wie z. B. Schätzungen zukünftiger Cashflows bei der Prüfung eines Vermögenswerts auf Wertminderung. Die Unternehmen müssen diese Angaben in einer Art und Weise darstellen, die den Anlegern hilft, die Einschätzungen des Managements über die Zukunft zu verstehen. Art und Umfang der bereitgestellten Informationen können variieren. Sie können beispielsweise die Art der Annahmen oder die Sensitivität der Buchwerte gegenüber den ihrer Berechnung zugrunde liegenden Methoden, Annahmen und Schätzungen beinhalten, einschließlich der Gründe für die Sensitivität.

Going Concern: Nach IAS 1 muss das Management bei der Aufstellung des Jahresabschlusses die Fähigkeit des Unternehmens zur Fortführung der Geschäftstätigkeit beurteilen. Bei der Beurteilung, ob die Fortführung der Unternehmenstätigkeit angemessen ist, berücksichtigt das Management alle verfügbaren Informationen über die Zukunft, d. h. mindestens 12 Monate nach dem Ende des Berichtszeitraums. Wenn klimabezogene Angelegenheiten zu wesentlichen Unsicherheiten über die Fortführung der Unternehmenstätigkeit führen, verlangt IAS 1 folglich die Angabe dieser Unsicherheiten. Wenn das Management zu dem Schluss gekommen ist, dass keine wesentlichen Unsicherheiten in Bezug auf die Annahme der Unternehmensfortführung bestehen, die eine Angabe erfordern, aber diese Schlussfolgerung mit einer erheblichen Ermessensausübung verbunden war (z. B. hinsichtlich der Durchführbarkeit und Wirksamkeit der geplanten Abhilfemaßnahmen), verlangt IAS 1 die Angabe dieses Urteils.

IAS 2: Vorräte

Klimabedingte Faktoren können dazu führen, dass die Vorräte eines Unternehmens unbrauchbar werden, ihre Verkaufspreise sinken oder ihre Fertigstellungskosten steigen. Wenn infolgedessen die Anschaffungs- oder Herstellungskosten von Vorräten nicht werthaltig sind, muss das Unternehmen gemäß IAS 2 diese Vorräte auf ihren Nettoveräußerungswert abschreiben.  Die Schätzungen des Nettoveräußerungswertes basieren auf den verlässlichsten substanziellen Hinweisen, die zum Zeitpunkt der Schätzung, über den Betrag, der durch den Verkauf der Vorräte voraussichtlich erzielt werden kann, verfügbar sind.

IAS 12: Einkommenssteuern

Nach IAS 12 müssen Unternehmen im Allgemeinen latente Steueransprüche für abzugsfähige temporäre Differenzen und noch nicht genutzte steuerliche Verluste und Gutschriften ansetzen, soweit es wahrscheinlich ist, dass ein zukünftiges zu versteuerndes Ergebnis eintreten wird, gegen das diese Beträge verrechnet werden können. Klimabezogene Sachverhalte können die Schätzung zukünftiger steuerpflichtiger Gewinne durch ein Unternehmen beeinflussen und dazu führen, dass das Unternehmen keine latenten Steueransprüche ansetzen kann oder eine Ausbuchung von zuvor ausgewiesenen latenten Steueransprüchen erforderlich ist.

Konkret könnten zum Beispiel steigende CO2-Preise zu einer Verringerung der zukünftig zu erwartenden steuerlichen Gewinne führen.

IAS 16: Sachanlagen & IAS 38: Immaterielle Vermögenswerte

Klimabezogene Fragen können Ausgaben für die Änderung oder Anpassung von Geschäftsaktivitäten und -abläufen, einschließlich Forschung und Entwicklung, verursachen. IAS 16 und IAS 38 spezifizieren die Anforderungen für den Ansatz von Kosten als Vermögenswerte (als Sachanlagen oder als immaterieller Vermögenswert). IAS 38 verlangt auch die Angabe des Betrages der Forschungs- und Entwicklungskosten, die während einer Berichtsperiode als Aufwand erfasst wurden.

IAS 16 und IAS 38 verlangen von Unternehmen, die geschätzten Restwerte und erwarteten Nutzungsdauern von Vermögenswerten mindestens jährlich zu überprüfen und Änderungen - wie beispielsweise solche, die sich aus klimabezogenen Sachverhalten ergeben könnten, in der Höhe der Abschreibung oder Abschreibungsbeträge in der laufenden und den folgenden Perioden zu berücksichtigen. Klimabedingte Sachverhalte können den geschätzten Restwert und die erwartete Nutzungsdauer von Vermögenswerten beeinflussen, beispielsweise aufgrund von Veralterung, rechtlichen Beschränkungen oder Unzugänglichkeit der Vermögenswerte. Die Unternehmen sind außerdem verpflichtet, die erwartete Nutzungsdauer für jede Klasse von Vermögenswerten sowie die Art und Höhe einer Änderung der geschätzten Restwerte oder der erwarteten Nutzungsdauer zu berücksichtigen.

Konkret könnte zum Beispiel ein Unternehmen Patente für Bauteile von Dieselmotoren besitzen. Da in Zukunft Dieselmotoren eine deutlich geringere Rolle spielen sollen, verlieren diese Patente an Wert.

IAS 37: Rückstellungen, Eventualverbindlichkeiten und Eventualforderungen

Klimabezogene Sachverhalte können sich auf den Ansatz, die Bewertung und den Ausweis von Verbindlichkeiten in den Abschlüssen, die IAS 37 anwenden auswirken, zum Beispiel in Bezug auf:

  • Abgaben, die von Regierungen für das Nichterreichen von Klimazielen oder für die Verhinderung oder Förderung bestimmter Aktivitäten erhoben werden;

  • gesetzliche Vorschriften zur Sanierung von Umweltschäden;

  • Verträge, die sich als belastend erweisen könnten (z. B. aufgrund potenzieller Einnahmeverluste oder erhöhte Kosten infolge klimabedingter Gesetzesänderungen); oder

  • Umstrukturierungen zur Neugestaltung von Produkten oder Dienstleistungen, um klimabezogene Ziele zu erreichen.

IAS 37 verlangt die Angabe der Art einer Rückstellung oder Eventualverbindlichkeit sowie die Angabe der Unsicherheiten hinsichtlich der Höhe oder des Zeitpunkts der damit verbundenen Aufwendungen. Wo es zur Bereitstellung angemessener Informationen erforderlich ist, verlangt IAS 37 auch die Angabe der wichtigsten Annahmen über künftige Ereignisse, die sich in der Höhe einer Rückstellung widerspiegeln.

IFRS 17: Versicherungsverträge

Klimabedingte Faktoren können die Häufigkeit oder das Ausmaß der versicherten Ereignisse erhöhen oder den Zeitpunkt ihres Eintretens beschleunigen. Beispiele für versicherte Ereignisse, die von klimabezogenen Angelegenheiten betroffen sein könnten, sind Betriebsunterbrechungen, Sachschäden, Krankheit und Tod. Klimabezogene Angelegenheiten können daher die Annahmen beeinflussen, die zur Bewertung der Verbindlichkeiten aus Versicherungsverträgen unter Anwendung von IFRS 17 getroffen werden. Klimabezogene Sachverhalte können sich auch auf die folgenden erforderlichen Angaben auswirken:

  1. Angaben über die wesentlichen Ermessensentscheidungen und Änderungen von Ermessensentscheidungen bei der Anwendung von IFRS 17;

  2. Angaben über die Risikoexposition eines Unternehmens, Risikokonzentrationen, die Art und Weise der Risikosteuerung und Sensitivitätsanalysen, die die Auswirkungen von Änderungen der Risikovariablen aufzeigen.

Bilanzierung von erwarteten Kreditverlusten durch Klimarisiken gemäß IFRS

Wie im vorherigen Kapitel hergeleitet wurde, sind Klimarisiken im Rahmen der Anwendung von IFRS 9 zu berücksichtigen. In diesem Kapitel wollen wir am Beispiel dieses Standards näher darauf eingehen, wie sich Klimarisiken auf die Bilanz auswirken. Dazu wird zunächst das Wertminderungsmodell des IFRS 9 zusammengefasst.

Exkurs: Das Wertminderungsmodell von IFRS 9

Der IFRS 9 Standard definiert ein dreistufiges Modell für die Abbildung von Wertminderungen von Finanzinstrumenten. Das Wertminderungsmodell ist in den folgenden Fällen anzuwenden:

  • Finanzielle Vermögenswerte, welche gemäß IFRS 9 zu fortgeführten Anschaffungskosten bewertet werden;

  • Finanzielle Vermögenswerte, deren Änderungen des beizulegenden Zeitwerts im sonstigen Ergebnis erfasst werden;

  • Kreditzusagen und Finanzgarantien, außer sie werden nach IFRS 9 freiwillig ertrags- oder aufwandswirksam zum beizulegenden Zeitwert bewertet;

  • Leasingforderungen gemäß IAS 17: Leasingverhältnisse

  • Aktive Vertragsposten gemäß IFRS 15: Erlöse aus Verträgen mit Kunden.

Die Stufen des Modells sind wie folgt definiert:

Stufe 1: Hier sind grundsätzlich alle Instrumente bei Eingang einzuordnen. Aufwandswirksam erfasst wird der Barwert der erwarteten Verluste innerhalb der nächsten zwölf Monate. Die Zinserfassung erfolgt auf Basis des Bruttobuchwerts, d.h. auf Basis des Buchwerts vor Berücksichtigung der Risikovorsorge.

Stufe 2: Kommt es zu einer signifikanten Erhöhung des Ausfallrisikos im Vergleich zum Zugangszeitpunkt hat eine Neueinstufung zu erfolgen. Während die Zinserfassung im Vergleich zu Stufe 1 unverändert bleibt, wird in dieser Stufe der Barwert der erwarteten Verluste über die Restlaufzeit erfasst.

Stufe 3: Hier sind alle Instrumente einzustufen, bei denen, zusätzlich zur signifikanten Erhöhung des Ausfallrisikos, auch noch objektive Hinweise auf Wertminderung vorliegen. Betrachtet wird weiterhin der erwartet Verlust über die Restlaufzeit, allerdings ist die Zinserfassung dahingehend anzupassen, dass sie auf Basis des Nettobuchwertes, d.h. auf Basis des Buchwertes nach Berücksichtigung der Risikoversorge, erfolgt.

Eine Übersicht über die Stufen sind noch einmal in dem folgenden Diagramm dargestellt.

Abbildung 1: Das Wertminderungsmodell von IFRS 9

Wertminderungen Aufgrund von Klimarisiken

Eine Erhöhung des Kreditausfallrisikos im Zusammenhang mit dem Klimawandel kann unter anderem die folgenden Gründe haben:

  • ·         Der Kreditnehmer sieht sich als Folge des Klimawandels mit höheren Schadensrisiken konfrontiert (physisches Risiko).

  • Durch die Bekämpfung des Klimawandels ist der Kreditnehmer höheren Reputations- und regulatorischen Risiken ausgesetzt (transitorisches Risiko).

  • Die zur Besicherung der Kreditverbindlichkeit genutzten Vermögensgegenstände verlieren an Wert (physisches Risiko).

Neben den physischen und transitorischen Risiken gehen noch eine Reihe weiterer Inputfaktoren in das ECL-Modell zur Bestimmung der Wertminderung durch Klimarisiken ein:

  • Laufzeit: Vor allem Kredite mit einer langen Laufzeit sind betroffen, da zu erwarten ist, dass die Auswirkungen des Klimawandels langfristig immer spürbarer werden.

  • Branche: Manche Branchen (z.B. Energieversorger, Automobilhersteller) sind stärker betroffen als andere (z.B. IT-Firmen).

  • Region: Manche Regionen (z.B. küstenahme Gebiete, Inseln) sind stärker betroffen als andere.

  • Abdeckung durch Versicherungen oder Garantien: Es ist zu prüfen, inwieweit potenzielle Schäden (z.B. durch Naturkatastrophen) bzw. der Ausfall des Kreditnehmers durch Versicherungen bzw. Garantien gedeckt sind.

Abbildung 2: Faktoren bei der Bestimmung des ECL

Darüber hinaus ist zu beachten, dass Risiken nicht doppelt berücksichtigt werden. So können die Informationen der Inputfaktoren, welche zur Berücksichtigung der Klimarisiken in das ECL-Modell eingehen, mit den Informationen anderer Inputfaktoren korrelieren, welche zur Berücksichtigung anderer Risiken in das Modell einfließen (z.B. Markt-Credit-Spreads).

Bei der Betrachtung von Sektoren ist zu prüfen, ob die aktuelle Unterteilung in Sektoren für die Berücksichtigung von Klimarisiken ausreichend ist. So kann es zum Beispiel in der Vergangenheit ausreichend gewesen sein nur einen Sektor „Energieversorgungsunternehmen“ berücksichtigt zu haben. Allerdings sind Energieversorger, welche Strom vor allem aus fossilen Energieträgern wie Kohle beziehen, stärker betroffen als Versorger, welche vor allem auf erneuerbare Energien wie Wasserkraft setzen. Folglich wäre in diesem Beispiel eine genauere Differenzierung notwendig, welche berücksichtigt, wie hoch der Anteil von erneuerbaren Energien ist.

Da der Klimawandel vor allem langfristige Auswirkungen hat, haben Klimarisiken in erster Linie Einfluss auf den erwarteten Verlust über die Gesamtlaufzeit und weniger auf den erwarteten 12-Monatsverlust.

Die bisher gewonnenen Erkenntnisse sollen an dem folgenden Beispiel verdeutlicht werden: Angenommen die Bank B hat im Jahr 2010 an den Energieversorger E einen Kredit über 100 Mio €, mit einer Laufzeit von 30 Jahren zur Finanzierung des Ausbaus von Kohlekraftwerken in Deutschland vergeben. Wir nehmen dabei an, dass keine Kreditausfallversicherung besteht. Der Kredit unterliegt transitorischen Risiken durch den Klimawandel, da in Deutschland nach aktueller Gesetzeslage bis zum Jahr 2038 der Ausstieg aus der Nutzung von Kohleenergie vollzogen werden soll. Da das Laufzeitende des Geschäftes erst im Jahr 2040 – also nach dem geplanten Ende der Nutzung von Kohlestrom in Deutschland – liegt, ist der Kredit in erheblichem Maße von dem transitorischen Risiko betroffen. Physische Risiken spielen in dem Beispiel eine untergeordnete Rolle, da es zwar durch die Zunahme von extremen Wetterereignissen zu Beschädigungen an der Infrastruktur kommen kann, dass diese zu einem langfristigen Ausfall von Kohlekraftwerken führt, erscheint jedoch unwahrscheinlich. Bei der Einschätzung des Kreditausfallrisikos ist ferner zu analysieren, wie stark der Energieversorger insgesamt von den Folgen des Klimawandels betroffen ist. Wie bereits zuvor erläutert, kann diese Beurteilung in Abhängigkeit des gesamten Energiemixes des Versorgers zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Sollten fossile Brennstoffe einen wesentlichen Teil des Portfolios des Versorgers ausmachen, so kann man argumentieren, dass, im Vergleich zum Eingangszeitpunkt, eine signifikante Erhöhung des Ausfallrisikos vorliegt. Der Kredit wäre somit in die zweite Stufe des Wertminderungsmodells einzustufen. Sollte der Versorger sogar fast ausschließlich auf fossile Energieträger setzen oder sollte es sich um eine Projektfinanzierung ohne Rückgriffsrecht handeln so kann argumentiert werden, dass objektive Hinweise auf Wertminderung vorliegen. Damit wäre der Kredit in Stufe 3 des Wertminderungsmodells einzuordnen. Sollte dagegen im Energiemix des Versorgers Kohlekraft im Vergleich zu nachhaltigen Energien nur eine untergeordnete Rolle spielen und das Unternehmen als Ganzes für die Zahlungsverpflichtung aufkommen, könnte man hingegen sogar dafür argumentieren den Kredit in Stufe 1 zu belassen, da das Unternehmen eventuelle Verluste aus dem Engagement in Kohlekraft ausgleichen kann.

Abbildung von Klimarisiken in der HGB-Bilanz

Die Folgen des Klimawandels wirken sich auch auf die HGB-Bilanz aus. In diesem Kapitel wollen wir eine Übersicht, über die für die Abbildung von Klimathemen wichtigsten Abschnitte des HGB geben. Im Gegensatz zu den IFRS, finden klimabezogene Sachverhalte im HGB an der folgenden Stelle explizit Erwähnung:

§ 289 HGB: Inhalt des Lageberichtes

In § 289c Absatz (2) Nr. 1 wird verlangt, dass in der nichtfinanziellen Erklärung „Umweltbelange, wobei sich die Angaben beispielsweise auf Treibhausgasemissionen, den Wasserverbrauch, die Luftverschmutzung, die Nutzung von erneuerbaren und nicht erneuerbaren Energien oder den Schutz der biologischen Vielfalt beziehen können,“ zu berücksichtigen sind. Alle Unternehmen, welche gemäß § 289b (1) zu einer nichtfinanziellen Erklärung verpflichtet sind, sind somit explizit zur Berücksichtigung von klimabezogenen Sachverhalten angehalten. Auch für Unternehmen, welche von der Abgabe einer nichtfinanziellen Erklärung befreit sind, kann eine Berücksichtigung von Klimabelangen im Lagebericht erforderlich sein, da § 289 fordert „die Lage der Kapitalgesellschaft so darzustellen, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt wird.“ Dies ist für viele Unternehmen, allein schon wegen der zahlreichen regulatorischen Bestimmungen, nur dann gewährleistet, wenn klimabezogene Sachverhalte Eingang in den Lagerbericht finden.

§ 253 HGB: Zugangs- und Folgebewertung in Verbindung mit § 252 HGB: Allgemeine Bewertungsgrundsätze

Gemäß § 252 (1) Nr. 4 HGB „sind alle vorhersehbaren Risiken […], die bis zum Abschlußstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen“. Da klimabezogene Aspekte zumindest grundsätzlich absehbar sind, sind sie somit für die HGB-Bilanz relevant. Konkret können Klimarisiken zu einer dauerhaften Wertminderung von Vermögensgegenständen des Anlage- und Umlaufvermögens führen und damit eine außerplanmäßige Abschreibung nach § 253 (3) & (4) HGB notwendig machen.

§ 340e HGB: Bewertung von Vermögensgegenständen in Verbindung mit § 255 HGB: Bewertungsmaßstäbe

Gemäß § 340e HGB sind Finanzinstrumente des Handelsbestandes zum beizulegenden Zeitwert abzüglich eines Risikoabschlags zu bewerten. Gemäß § 255 (4) entspricht der beizulegende Zeitwert dem Marktpreis. Sollte kein aktiver Markt bestehen und sich der Marktpreis auch nicht Anhand „allgemein anerkannter Bewertungsmethoden“ bestimmen, so hat die Bewertung zu fortgeführten Anschaffungs- oder Herstellungskosten gemäß § 253 (3) HGB zu erfolgen. Dabei gelten die zuletzt gemäß § 255 (4) Satz 1 und 2 ermittelte beizulegende Zeitwert als Anschaffungs- oder Herstellungskosten.

Wie bereits im Abschnitt zu IFRS 13 erläutert, können Ansichten der Marktteilnehmer über potenzielle klimabezogene Gesetzgebung den beizulegenden Zeitwert eines Vermögenswertes oder einer Verbindlichkeit beeinflussen.

Im Gegensatz zu den IFRS gilt für die HGB-Bilanz das Vorsichtsprinzip, d.h. sollte der Wert eines Vermögensgegenstandes steigen, weil er zum Beispiel in Bezug auf die Bekämpfung des Klimawandels besonders günstige Eigenschaften hat (zum Beispiel Anteile an einem E-Auto Hersteller), so darf der dadurch entstandene nicht realisierte Gewinn nicht in der HGB-Bilanz ausgewiesen werden.

§ 274 HGB: Latente Steuern

Auch in der HGB-Bilanz sind latente Steuern gemäß § 274 HGB zu berücksichtigen. Im Abschnitt zu IFRS 12 wurde erläutert, dass sich klimabezogene Sachverhalte die Schätzung zukünftiger steuerpflichtiger Gewinne durch ein Unternehmen beeinflussen können.

Im Gegensatz zu den IFRS besteht nach § 274 (1) HGB für aktive latente Steuern keine Plicht diese in der HGB-Bilanz auszuweisen. Des Weiteren dürfen gemäß § 274 (1) Satz 4 steuerlich Verlustvorträge nur dann berücksichtigt werden, wenn eine Verlustverrechnung innerhalb der nächsten fünf Jahre zu erwarten ist. Aufgrund dieser Einschränkungen ist davon auszugehen, dass die Auswirkungen klimabezogener Sachverhalte bezüglicher latenter Steuern auf die HGB-Bilanz geringer ausfallen als auf die IFRS-Bilanz.

§ 249 HGB: Rückstellungen

Aus den gleichen Gründen, welche im Abschnitt zu IFRS 37 genannt wurden, können klimabezogene Sachverhalte die Bildung von Rückstellungen gemäß § 249 HGB erforderlich machen.

Wie Finbridge Sie unterstützt

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  • Fachliche und technische Umsetzungen zur Einführung von IFRS 9 wurden bereits erfolgreich abgeschlossen. Wir greifen auf Erfahrungen zurück und können flexibel auf Kundenwünsche eingehen. Eine gesamtheitliche Betrachtung von regulatorischen und bilanziellen Fragestellungen unter Berücksichtigung der IT-Struktur ist für uns selbstverständlich.

  • Als Fachberatung beobachten wir kontinuierlich Entwicklungen in der internationalen Rechnungslegung. Endorsements und Kommentierungen bezüglich IFRS 17 werden von uns analysiert und fortlaufend kommuniziert.

Quellen


 

TEAM

 
 

Rico Heinemann

Senior Consultant

Business Consulting

Rico.Heinemann at finbridge.de

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