Hedge Accounting [Teil 1]: Prospektiver Test und der Risk Induced Fair Value

Photo by Christopher Burns on Unsplash - Abgerufen am 08.05.2020

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Als Reaktion auf die Kritik der G20 an den Bilanzierungsregeln im Zuge der Finanzkrise traten am 1. Januar 2018 die bereits am 24. Juli 2014 veröffentlichten Regelungen des International Financial Reporting Standard 9 (IFRS 9) des IASB innerhalb der EU in Kraft. Diese hatten unter anderem zum Ziel, den vorherigen Ansatz des International Accounting Standard 39 (IAS 39) abzulösen. Insbesondere im Bereich der Bilanzierung von Sicherungsbeziehungen (Hedge Accounting) sollten sie eine stärkere Ausrichtung an der vom Unternehmen verfolgten Risikomanagementstrategie erreichen.

Damit wurden Banken und andere Institutionen mit der Situation konfrontiert, gewisse Anpassungen im Hedge Accounting vornehmen zu müssen. Eine Maßnahme ist die zukünftige bilanzielle Behandlung von designierten Sicherungsbeziehungen zwischen Grund- und Sicherungsgeschäft (siehe Abbildung 1), wobei der für die Effektivitätsmessung einer solchen Beziehung relevante prospektive Effektivitätstest zunehmend an Bedeutung gewinnt. Dieser dient der vorausschauenden Klassifikation in effektive und ineffektive Sicherungsbeziehungen und ist neben zahlreichen weiteren Neuerungen im neuen Standard vorgeschrieben.

Der erste Teil dieser Veröffentlichung [Teil 1] beschreibt die regulatorischen Hürden bezüglich des prospektiven Tests, während der zweite Teil [Teil 2] eine Möglichkeit zur konkreten Umsetzung vorstellt, die auf dem Risk Induced Fair Value („RiFV“) basiert. Angesichts der recht umfangreichen Umstellung auf IFRS 9 in Bezug auf das Hedge Accounting macht es aus Sicht der Finanzinstitutionen vor der erstmaligen Umstellung Sinn, von einem Wahlrecht im IFRS 9 Gebrauch zu machen. Dieses erlaubt es, in der Übergangsphase die Wirksamkeit von Hedge Beziehungen weiterhin nach IAS 39 festzustellen.

Abbildung 1: Beispiel einer designierten Hedge Beziehung mit Grund- und Sicherungsgeschäft aus der Sicht von Bank A. Hierbei wird das Zinsrisiko durch einen Zins-Swap abgesichert.

Abbildung 1: Beispiel einer designierten Hedge Beziehung mit Grund- und Sicherungsgeschäft aus der Sicht von Bank A. Hierbei wird das Zinsrisiko durch einen Zins-Swap abgesichert.

Wahlrecht im IFRS 9

"Die neuen Regelungen von IFRS 9 wurden im November 2016 mit der Verordnung (EU) 2016/ 2067 in EU- Recht übernommen und sind seit dem 1. Januar 2018 von allen kapitalmarktorientierten Unternehmen [...] [verpflichtend] anzuwenden.“ [1]

Zur Risikomanagementstrategie eines Unternehmens gehören Maßnahmen der Risikoidentifikation und Risiko- bzw. Risikoperformancemessung. So kann ein Grundgeschäft (umfasst in seiner Gesamtheit alle Änderungen in den Zahlungsströmen oder im beizulegenden Zeitwert), eine Grundgeschäfts-komponente oder eine Gruppe von Grundgeschäften im Wert schwanken und deshalb durch eine designierte Sicherungsbeziehung, welche maßgebliche Kriterien erfüllt, mit einem zulässigen Sicherungsinstrument (derivativer oder nicht derivativer Vermögenswert) abgesichert werden. Die Zielsetzung bei der Bilanzierung solcher Sicherungsgeschäfte ist die Auswirkung der Risikomanagementmaßnahmen eines Unternehmens im Abschluss wiederzugeben, wenn es Finanzinstrumente zur Steuerung bestimmter Risiken einsetzt, die sich erfolgswirksam (oder im sonstigen Ergebnis) auswirken könnten. Die Anforderungen an die Bilanzierung für Finanzinstrumente sind in den seit dem 1. Januar 2018 verpflichtend geltenden Regelungen des IFRS 9 manifestiert, welches sich als Ziel gesetzt hat, die vollständige Ablösung des ursprünglich geltenden International Accounting Standards 39 zu erwirken. In der 3. Phase des IFRS 9 wird auf die Bilanzierung von Hedgegeschäften eingegangen, die damit das prospektive und retrospektive Vorgehen (siehe Abbildung 2) beim Nachweis der Wirksamkeit einer Sicherungsbeziehung (prospektiver und retrospektiver Effektivitätstest) regelt.

Abbildung 2: Prospektiver und Retrospektiver Test im Hedge Accounting [2]

Abbildung 2: Prospektiver und Retrospektiver Test im Hedge Accounting [2]

IFRS 9 hat einerseits zum Ziel die Aktivitäten im Bereich Risikomanagement besser in der Bilanzierung abbilden zu können und andererseits die Komplexität der ehemaligen Regelungen zu reduzieren und damit die Anwendung des Hedge Accountings im Vergleich zu den bisherigen Regelungen zu vereinfachen. Dies betrifft vor allem die, im Gegensatz zum alten Standard, deutlich gelockerten Beschränkungen der Geschäfte, welche gesichert werden können („hedged items“). Im [IFRS 9: 7.2.21] ist außerdem festgehalten, dass bei der erstmaligen Anwendung von IFRS 9 ein Bilanzierungswahlrecht ausgeübt werden kann. Dementsprechend können Sicherungsbeziehungen zunächst weiterhin nach IAS 39, anstelle der im vorliegenden Standard niedergelegten Regelungen zum Hedge Accounting bilanziert werden.

„Bei der erstmaligen Anwendung des vorliegenden Standards kann ein Unternehmen es als seine Rechnungslegungsmethode wählen, weiterhin die Vorschriften zur Bilanzierung von Sicherungsgeschäften in IAS 39 anstelle der Vorschriften in Kapitel 6 des vorliegenden Standards anzuwenden.“ [3]

Abbildung 3: Übergangsvorschrift für die Bilanzierung von Sicherungsgeschäften: Wahlrecht im IFRS 9

Abbildung 3: Übergangsvorschrift für die Bilanzierung von Sicherungsgeschäften: Wahlrecht im IFRS 9

Dieses Wahlrecht kann Finanzdienstleistern kurz- bis mittelfristig eine weitere Umstellung ersparen. Der IAS 39 definiert unter anderem Regeln für den Ansatz und die Bewertung von Derivaten sowie für das Hedge Accounting, in dem die eingangs erwähnte bilanzielle Behandlung gegenläufiger Wertänderungen von Grund- und Sicherungsgeschäften geregelt wird.

Zur Beurteilung der Wirksamkeit einer Sicherungsbeziehung sind zwei grundlegende Voraussetzungen gegeben, welche für hochwirksame Sicherungsbeziehungen erfüllt sein müssen (IAS 39 A105):

1.     Zu Beginn und während einer Hedgebeziehung muss die Kompensation der Risiken aus Änderungen des beizulegenden Zeitwertes oder der Cashflows in Bezug auf das abgesicherte Risiko eingeschätzt und wirksam nachgewiesen werden können. Der Nachweis kann auf verschiedene Möglichkeiten erbracht werden, z.B. durch die Betrachtung von Zeitwerten oder der statistischen Korrelation zwischen Grundgeschäft und Sicherungsinstrument (IAS 39 A105 (a)).

2.     Die Ergebnisse der Bewertung einer Sicherungsbeziehung sollen innerhalb einer Bandbreite von 80-125 Prozent liegen (IAS 39 A105 (b)).

IAS 39 A106 definiert den Zeitpunkt der Beurteilung der Wirksamkeit von Sicherungsinstrumenten, wobei diese spätestens zum Zeitpunkt der Aufstellung des jährlichen Abschlusses oder des Zwischenabschlusses erfolgen muss. Die Auswahl der Berechnungsmethode zur Beurteilung der Wirksamkeit einer Sicherungsbeziehung ist nach IAS 39 A107 dem Unternehmen überlassen – sie richtet sich nach der Risikomanagementstrategie des Unternehmens.

Die umfangreichen in IFRS 9 einhergehenden neuartigen Umstellungen beinhalten einerseits eine Rekalibrierung der designierten fortlaufenden Sicherungsbe-ziehung auf Basis der als Ausgangspunkt gemäß IAS 39 verwendeten Sicherungsquote:

„Bei der erstmaligen Anwendung der im vorliegenden Standard enthaltenen Vorschriften zur Bilanzierung von Sicherungsgeschäften

a.     kann ein Unternehmen mit der Anwendung dieser Vorschriften ab dem gleichen Zeitpunkt, ab dem die Vorschriften zur Bilanzierung von Sicherungsgeschäften gemäß IAS 39 nicht mehr angewandt werden, beginnen, und

b.     hat ein Unternehmen die Sicherungsquote gemäß IAS 39 als Ausgangspunkt für eine ggf. erfolgende Rekalibrierung der Sicherungsquote einer fortlaufenden Sicherungsbeziehung zu berücksichtigen. Gewinne oder Verluste aus einer solchen Rekalibrierung sind erfolgswirksam zu erfassen.“ [4]

Andererseits ist ebenfalls die nicht mehr notwendigerweise quantitative und mit einer Bandbreite versehende Effektivitätsmessung anzupassen, welche im neuen Standard bis auf Ausnahmefälle[5] prospektiv und nicht mehr retrospektiv anzuwenden ist.

"Mit Ausnahme der Bestimmungen in Paragraph 7.2.26[6] hat ein Unternehmen die im vorliegenden Standard enthaltenen Vorschriften zur Bilanzierung von Sicherungsgeschäften prospektiv anzuwenden.“ [7]

Eine Gegenüberstellung von IFRS 9 zu IAS 39 in Bezug auf den prospektiven Test ist Abbildung 4 zu entnehmen.

Abbildung 4: Vergleich des neuen IFRS 9 Standard mit dem vorherigen IAS 39 in Bezug auf den prospektiven Test

Abbildung 4: Vergleich des neuen IFRS 9 Standard mit dem vorherigen IAS 39 in Bezug auf den prospektiven Test

Es erfordert somit von Banken und anderen Finanzdienstleistern eine Analyse über mögliche Vor- und Nachteile der sofortigen Umstellung auf den neuen Standard. Gegebenenfalls kann eine sanftere Herangehensweise erfolgen, welche bedingt durch eine seriösere Betrachtung des zukünftig unabdingbaren prospektiven Tests mit genauem Augenmerk auf die in Zukunft gültigen Regelungen des IFRS 9 einhergeht.

Fazit

Mit IFRS 9 wurde die Bilanzierung von Finanzinstrumenten und damit der Effektivitätstest im Hedge Accounting dahingehend überarbeitet, dass zukünftig bis auf wenige Ausnahmen der prospektive Test vollumfänglich anzuwenden ist. Aktuell gibt es aber auf derzeit unüberschaubare Dauer die Wahlmöglichkeit, die es im IFRS 9 erlaubt, übergangsweise nach dem ehemaligen IAS 39 Standard zu bilanzieren. Es erfordert somit von den Finanzdienstleistern eine Strategie, welche die Möglichkeiten und Vorteile der beiden Vorgehensweisen abwägt und eine seriösere Betrachtung des zukünftig unabdingbaren prospektiven Tests mit Hinblick auf die neuen Regelungen vorsieht, um bei der fortschreitenden umfangreichen Umstellung frühzeitig vorbereitet zu sein.

Unser Angebot

Die beschriebenen regulatorischen Anforderungen im Hedge Accounting stehen in Zusammenhang mit Herausforderungen, wie exempli causa der zukünftigen Behandlung des prospektiven Tests. Abhängig von diesen Rahmenbedingungen bietet der Test umfangreiche Anwendungsmöglichkeiten bei der fachlichen Umsetzung und erfordert Methoden und Lösungsansätze zur Durchführung, die mit der Risikomanagementstrategie des Unternehmens im Einklang stehen. Gerne beraten wir Sie im Rahmen einer Vorstudie bei der Analyse möglicher Lösungsvarianten der Effektivitätsmessung, und helfen Ihnen außerdem bei der Entwicklung der Lösung, die im Rahmen der fachlichen und technischen Möglichkeiten adäquat zur Risikomanagementstrategie Ihres Unternehmens passt.

Darauf aufbauend unterstützen wir Sie ebenfalls gerne bei der fachlichen Umsetzung.

Zur Umsetzung solcher individuellen Lösungen bringen unter anderem unsere folgenden Kernkompetenzen einen maßgeblichen Mehrwert zur effizienten Erreichung ihrer Ziele:

  • Schnelle, gründliche und bereichsübergreifende Prozessanalyse,

  • Fachliches und technisches Problemlösungs-Know-how im Hedge Accounting,

  • Ergebnisorientierung und Integrationsfähigkeit bei der Entwicklung methodischer Ansätze.

Wir hoffen, Ihr Interesse an unserer Beratung geweckt zu haben und freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme!

Quellen und Anmerkungen

[1] Deutsche Bundesbank, Monatsbericht Januar 2019, S. 82

[2] Im prospektiven Test wird die Effektivität einer Sicherungsbeziehung grundsätzlich nur zum Hedge Start Date bzw. zu Beginn der Hedge Beziehung (Zeitpunkt t=0) überprüft. Die Prüfung zu einem späteren Zeitpunkt (t=1), tritt für den Fall ein, wenn sich die zugrundeliegende Sicherungsbeziehung ändert.

[3] Amtsblatt der Europäischen Union, Verordnung (EU) 2016/2067 der Kommission vom 22. November 2016, IFRS 9: 7.2.21

[4] Amtsblatt der Europäischen Union, Verordnung (EU) 2016/2067 der Kommission vom 22. November 2016, IFRS 9: 7.2.25

[5] Ein solcher Ausnahmefall kann beispielsweise die Bilanzierung des Zeitwertes einer Option sein, wenn gemäß IAS 39 nur die Änderung des inneren Werts als Sicherungsinstrument designiert wurde. [IFRS 9: 7.2.26 a)]

[6] Dieser Paragraph enthält Vorschriften zur retrospektiven Effektivitätsmessung.

[7] Amtsblatt der Europäischen Union, Verordnung (EU) 2016/2067 der Kommission vom 22. November 2016, IFRS 9: 7.2.22

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