VAT in the Digital Age (ViDA), E-Rechnung & E-Reporting: Ganzheitlich denken, effizient umsetzen
Die EU macht Ernst: Nach erneuter Konsultation des Europäischen Parlaments wurde das „VAT in the Digital Age“ (ViDA)-Maßnahmenpaket am 11. März 2025 offiziell verabschiedet und wird schrittweise bis Januar 2035 eingeführt. Damit kommt ein neues Zeitalter der Umsatzsteuer-Compliance auf Unternehmen zu – digital, transparent und verpflichtend.
In diesem Insight wollen wir erläutern, was das ViDA-Maßnahmenpaket mit den Anforderungen an die E-Rechnung, an das E-Invoicing und an das E-Reporting (digitale Meldepflichten) zu tun hat und wie Sie die Umsetzung der regulatorischen Anforderungen ganzheitlich angehen. Denn E-Rechnung, E-Invoicing und digitale Meldepflichten sind mehr als nur (zukünftige) Regulierung: Sie sind der Schlüssel zu einer zukunftssicheren, effizienten und sicheren Finanz- und IT-Infrastruktur. Der Erfolgsfaktor dabei? Eine integrierte Denkweise.
Wesentliche Eckpunkte und Zeitplan
Das ViDA-Maßnahmenpaket [2] umfasst drei wesentliche Eckpunkte (1) Plattformwirtschaft, (2) Digital Reporting Requirements, (3) Single VAT Registration. In diesem Insight wollen wir nicht im Detail auf die inhaltlichen Themen der Punkte (1) und (3) eingehen, sondern uns den Digital Reporting Requirements (DRR) widmen. Mit den DRR gehen Änderungen im Bereich E-Rechnung, E-Invoicing und den damit verbundenen Meldepflichten einher und können damit als größte Auswirkung für Unternehmen gesehen werden. Lassen Sie uns gemeinsam den Zusammenhang erschließen.
Wesentliches Ziel der ViDA-Initiative ist es, das Mehrwertsteuersystem innerhalb der EU zu modernisieren, harmonisieren und effektiver gegen Betrug abzusichern. Im Zentrum steht dabei die Schließung der „Mehrwertsteuerlücke“ (VAT GAP). Diese ergibt sich aus der Gesamtdifferenz zwischen den erwarteten Mehrwertsteuereinnahmen auf der Grundlage von Mehrwertsteuer- und Nebenvorschriften und dem tatsächlich erhobenen Betrag. Durch Steuerhinterziehung, Fehler und ineffiziente Prozesse entgehen den Mitgliedstaaten jährlich Milliardenbeträge an potenziellen Steuereinnahmen.[2]
Ein zentraler Bestandteil zu dieser Zielerreichung, ist die Einführung eines digitalen Meldesystems für inländische als auch innergemeinschaftliche Umsätze innerhalb der EU. Unternehmen werden dazu aufgefordert, die damit einhergehenden DRR nach EU-Standard umzusetzen. Dies erfordert künftig bestimmte umsatzsteuerrelevante Daten elektronisch zu erfassen, zu speichern und nahezu in Echtzeit an die Finanzbehörden zu übermitteln, und damit einer digitalen Meldepflicht nach EU-Standard nachzukommen.
Damit das E-Reporting zukünftig vollständig und fehlerfrei funktioniert, sind korrekte, standardisierte und maschinenlesbare Rechnungsdaten unerlässlich - ein Ziel, das die EU-Kommission mit der verpflichtenden Einführung der E-Rechnungsstellung für B2B Umsätze innerhalb der EU ab 1. Juli 2030 verfolgt. Ohne E-Rechnung keine verlässliche Datenbasis, ohne verlässliche Daten kein wirksames E-Reporting. Für in Deutschland ansässige Unternehmen laufen die Reformen zur elektronischen Rechnungserstellung seit diesem Jahr und sollen bis 2027 vollendet sein. [3] [4]
Folgender Umsetzungszeitplan zeigt wesentliche Maßnahmen, die zwischen 2025 und 2035 im Rahmen des ViDA-Pakets in Kraft treten werden.[3]
Abbildung 1: Eckpunkte zur Umsetzung der E-Rechnungsanforderungen (E-Invoicing) und E-Reportinganforderungen (DRR).
Viva la ViDA und das am besten effizient und schon heute
Unternehmen sollen den Anreiz bekommen, die Umsetzung der Anforderungen zur Einführung der E-Rechnung nicht als Stand Alone Thema, sondern als Basis und integralen Bestandteil einer ganzheitlichen Digitalisierungs- und Compliance-Strategie zu betrachten. Die Umsetzung der E-Rechnungsthematik erfordert in erster Linie eine enge Verzahnung mit ERP-Systemen, Steuer- und Finanzprozessen sowie digitalen Meldepflichten (z.B. ViDA E-Reporting) und hat damit bereichsübergreifende Auswirkungen.
Es ist eine Herausforderung die materiell-rechtlichen Anforderungen nationaler Gesetzgeber (E-RechV) und Europäischer Gesetzgeber (ViDA, DRR) bei der elektronischen Rechnungserstellung und der digitalen Berichterstattung im Blick zu behalten.
Wir haben dafür sechs Themen identifiziert, mit denen wir eine intensive Auseinandersetzung während der Vorbereitungsphase empfehlen und geben Ihnen Einblicke in unsere Erfahrungen.
Viele Wege führen zum Ziel, an diesen sechs kommen Sie nicht vorbei
1) Rechnungsprozesse transparent machen (inkl. Empfang, Versand und Reporting)
Führen Sie eine vollständige Analyse des Rechnungs-IST Zustands durch, nutzen Sie Dokumentationstools und fragen Sie sich, in welchen (Rechnungs-) Prozessbereichen Sie die digitale Transformation beschleunigen können bzw. müssen. Dies hilft Ihnen, Fehlerquellen zu minimieren und Effizienzpotenziale zu identifizieren. Stellen Sie sich folgende Fragen:
Wie werden Rechnungen aktuell erstellt? (manuell, automatisiert, aus welchem System?)
Welche Abteilungen sind beteiligt? (Vertrieb, Buchhaltung, IT?)
Wo gibt es Engpässe oder Medienbrüche? (Papierrechnungen, doppelte Dateneingabe?)
Wie werden korrekte Abrechnungen sichergestellt?
Etc.
In unseren Projekten haben wir überwiegend heterogene IT-Systemlandschaften in Hinblick auf rechnungsverarbeitende Prozesse beobachtet. Vom Einsatz von SAP-Systemen und SAP-Modulen, über Non-SAP Systeme, unzulänglich dokumentierte IT-Eigenentwicklungen bis hin zur vollständig manuellen Rechnungserstellung. Dauerhaft höhere Kosten und erhebliche Harmonisierungs- und Umsetzungsherausforderungen bei der Erfüllung regulatorischer Vorgaben sind die Konsequenzen. Wir empfehlen deshalb eine interdisziplinäre Betrachtungsweise und aktuelle Prozesse neu zu bewerten und auch „alt Eingesessenes, aber zeitlich Überholtes“ zu optimieren. Unsere Erfahrung zeigt, dass Unternehmen, die frühzeitig auf eine digitalisierte Umsetzung setzen, von effizienteren Workflows profitieren, Compliance-Risiken reduzieren, langfristige Kosteneinsparungen generieren und damit operative, finanzielle und regulatorische Nachteile vermeiden.
2) Interdisziplinäres Team-Work zwischen Finance, IT und Compliance
Die Einführung der E-Rechnung ist die Basis für die Erfüllung steuerlicher Anforderungen an das E-Reporting und wird damit zum komplexen Thema das unterschiedliche Unternehmensbereiche betrifft. Nur interdisziplinäre Teams können sicherstellen, dass technische, steuerliche, prozessuale und organisatorische Aspekte nahtlos ineinandergreifen. Für die Aufstellung eines Expertenteams zum Thema E-Rechnung empfehlen wir Stakeholder aus den Bereichen Steuer, Compliance, IT, ERP, Buchhaltung, Einkauf und Change-Management. Wir haben festgestellt, dass die einzelnen Unternehmensbereiche dazu neigen, eigene Prioritäten zu setzen und Ziele zu verfolgen und sich Kompatibilitätsprobleme bei der Harmonisierung der IT-Systeme ergeben können. Fördern Sie deshalb einen strukturieren und regelmäßigen Informationsaustausch, stellen Sie eine klare Abgrenzung in den Themengebieten sicher und gewährleisten Sie, dass sich alle auf ein Zielbild committen.
3) Steuerliche Compliance Vorgaben: E-Rechnung & E-Reporting (inländisch)
Lernen Sie die regulatorischen SOLL-Anforderungen kennen und behalten Sie die schrittweisen gesetzlichen Umsetzungsvorgaben zur E-Rechnungspflicht und den E-Reportingvorhaben (siehe Abb. 1) im Blick. In Hinblick auf die E-Rechnung ist sicherzustellen, dass die interne IT-Infrastruktur die Erstellung und Verarbeitung von E-Rechnungen im XML-Format gemäß EU-Norm EN 16931 [5] eingangs- (01.01.2025) und ausgangsseitig (01.01.2027) sicherstellt. Insb. um den Vorsteuerabzug aus eingehenden Rechnungen nicht zu gefährden.
In Hinblick auf das E-Reporting (inländisch) stehen Unternehmen vor der herausfordernden Integration der Meldepflichten a) und b) in die Systemlandschaft:
a) Rechnungsbezogenes / Transaktionsbezogenes Einzel-Reporting, jede Rechnung/Transaktion ist Nahezu in Echtzeit an die Behörde zu übermitteln.
b) Monatlichen Umsatzsteuervoranmeldung (aggregiertes Reporting), zusätzliches Reporting mit Angabe der gesamten steuerpflichtigen Umsätze und Vorsteuerbeträge.
Dabei stellt sich insbesondere die Frage, zu welchem Zeitpunkt innerhalb der Prozesskette das Reporting an die Finanzverwaltung erfolgt. Direkt nach Rechnungserstellung oder aus dem Buchungssatz der Finanzbuchhaltung heraus, beides birgt die Gefahr den Anforderungen an die Datenkonsistenz nicht gerecht zu werden. Es liegt nahe, alle erforderlichen Daten an einer zentralen Stelle zu sammeln und beide Meldepflichten daraus zu bedienen. Unsere Erfahrung zeigt, die Herausforderung besteht in der Definition und Umsetzung dieser Bündelungsstelle.
4) Datenqualität und -konsistenz in den Stamm-, Transaktions- und Leistungsdaten
Erfolgreiche E-Rechnungsprozesse setzen standardisierte und qualitativ hochwertige Daten voraus. Falsche oder unvollständige Kreditoren-, Debitorenstammdaten (z.B. falsche Kundennummern, fehlerhafte Steuersätze) oder Transaktions- (z.B. Rechnungsdetails) und Leistungsdaten stellen ein Risiko für die Erstellung, Validierung und Übermittlung von E-Rechnungen dar. Ebenso kann die steuerlich konforme Aggregation von Produkt- und Leistungsdaten sowie die Einhaltung angepasster Rechnungsstellungsfristen nur gelingen, wenn Datenqualität und -konsistenz sichergestellt sind. Es ist daher unerlässlich, dass alle relevanten Daten korrekt und zentral gepflegt werden, um Rechnungsablehnungen oder Verzögerungen zu vermeiden. Dies erfordert u.U. aufwändige Datenmigrations- und Bereinigungsprozesse innerhalb der ERP-Systeme des Unternehmens.
Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die für eine steuerlich konforme Behandlung einer E-Rechnung benötigten Datenfelder oftmals nicht vollumfänglich vorhanden sind. Einige wenige Beispiele (aus einer langen Liste):
Merkmal „Organschaft“ fehlt bei den Stammdaten zur korrekten Behandlung des Debitors
Debitorenstammdaten werden in die Front-Systeme kopiert (auch zu Rechnungsstellungzwecken) aber ohne Unterscheidungsmerkmale, wer eine E-Rechnung erhält (B2B) und wer aktuell nicht (B2G, B2C).
Unternehmensweite Produkt- und Leistungskataloge sowie die korrekte steuerliche Behandlung der erbrachten Leistungen sind IT-technisch nicht verfügbar.
5) Digitalisierungsstrategie und Cyber-Sicherheitsstrategie
Definieren Sie, welche manuellen Prozesse kurz-, mittel- und langfristig durch automatisierte Workflows abgelöst werden sollen und wählen Sie eine zukunftsfähige E-Rechnungs- und E-Reporting-Lösung.
Unterschätzen Sie dabei den Faktor Cyber-Sicherheit nicht. Je automatisierter ihre Prüfprozesse sind, desto weniger Raum bieten Sie für Angriffsflächen. Ziehen Sie die Auslagerung von IT-Dienstleistungen, wie z.B. die Nutzung externer E-Rechnungslösungen, in Betracht, beachten Sie dabei auch die Anforderungen der EU-Verordnung DORA [6]. Die Vorschrift verlangt u.a. eine umfassende Risikobewertung, vertragliche Absicherung von Sicherheitsstandards sowie die Möglichkeit, Konzentrationsrisiken und Abhängigkeiten zu identifizieren und zu kontrollieren. Für den automatisierten Rechnungsaustausch mit Geschäftspartnern ist die Anbindung an ein E-Rechnungsnetzwerk (Peppol) empfehlenswert. Dies setzt die Anbindung an PEPPOL-zertifizierte Access Points & Dienstleister und eine zuverlässige Datenübertragung gemäß der Peppol Transport Infrastructure Agreements (TIAs) voraus.
6) Ableitung von Lösungsszenarien und Definition der IT-Zielarchitektur
Für die IT-Zielarchitektur gibt es keine Blaupause. Sie basiert auf unternehmensinternen Prioritäten und Entscheidungen zur Digitalisierungsstrategie, zur historisch gewachsenen und vorhandenen ERP-Struktur sowie den IST- und SOLL-Rechnungsstellungsprozessen. Zudem spielen unternehmensinterne Ressourcen eine Rolle und sie definieren was im kurz-, mittel-, und langfristigen Bereich des Machbaren ist. Berücksichtigen Sie während Ihres Entscheidungsprozesses die Agilität Ihrer Lösung. Stellen Sie eine flexible, zuverlässige und skalierbare Systemlandschaft sicher.
Finbridge als ihr Partner – Unser modulares und flexibles Vorgehensmodell
Wir sind der Ansicht, dass eine „One-Size-Fits-All“ Lösung für die Herausforderungen rund um die E-Rechnung und das E-Reporting nicht funktionieren kann. Jedes Unternehmen steht vor einem individuellen Handlungsdruck, abhängig von seiner Prozess- und Systemlandschaft, den aktuellen Marktanforderungen und den verfügbaren Ressourcen.
Unser modulares und flexibles Vorgehensmodell setzt genau hier an: Es ermöglicht eine maßgeschneiderte Umsetzung, die sich dynamisch an Ihre spezifischen Rahmenbedingungen anpasst. Wir kombinieren strukturierte Methodik mit agiler Flexibilität – für maximale Planungssicherheit und gleichzeitig größtmögliche Reaktionsfähigkeit bei Veränderungen. Dabei behalten wir stets den wirtschaftlichen Rahmen im Blick: Unsere Lösungen orientieren sich am tatsächlichen Bedarf und vermeiden unnötige Komplexität – mit dem Ziel, nicht nur die Einführungs-, sondern auch die laufenden Betriebs- und Lizenzkosten langfristig effizient zu gestalten.
Modular – Wählen Sie genau die Bausteine, die Sie benötigen: Von der Analyse über die Systemintegration bis zur Compliance-Prüfung.
Flexibel – Wir passen das Vorgehen iterativ an Ihre technischen und organisatorischen Gegebenheiten an.
Zukunftssicher – Unser Ansatz stellt sicher, dass Sie auch zukünftige regulatorische Änderungen mühelos bewältigen.
Kostenbewusst – Wir achten auf ein ausgewogenes Kosten-Nutzen-Verhältnis – sowohl in der Umsetzung als auch im laufenden Betrieb.
Quellen
[1] Bundesrepublik Deutschland, Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz) BGBl. 2024 I Nr. 108 vom 27.03.2024, zuletzt abgerufen am 15.04.2025.
[2] Richtlinie (EU) 2025/516 des Rates vom 11. März 2025 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG in Bezug auf die Mehrwertsteuervorschriften für das digitale Zeitalter, zuletzt abgerufen am 15.04.2025.
[3] E-Rechnungsverordnung vom 13. Oktober 2017 (BGBl. I S. 3555), die durch Artikel 76 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist, zuletzt abgerufen am 15.04.2025.
[4] Bundesministerium der Finanzen, Neuregelung zur Ausstellung von Rechnungen nach § 14 UStG; Einführung der obligatorischen elektronischen Rechnung bei Umsätzen zwischen inländischen Unternehmern ab dem 1. Januar 2025, zuletzt abgerufen am 15.04.2025.
[5] DIN EN 16931-1 Elektronische Rechnungsstellung - Teil 1: Semantisches Datenmodell der Kernelemente einer elektronischen Rechnung; Deutsche Fassung EN 16931-1:2017+A1:2019 + AC:2020, zuletzt abgerufen am 15.04.2025.
[6] Verordnung (EU) 2022/2554 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2022 über die digitale operationale Resilienz im Finanzsektor, zuletzt abgerufen am 15.04.2025.
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