Dynamic Risk Management: Ein illustratives Beispiel

Photo by gasparzaldo on Unsplash, Download 10.04.2025

 

In diesem Artikel stellen wir ein modifiziertes Beispiel des IASB vor, in dem die Konzepte und Grundmechaniken des DRM-Kernmodells, die wir in unserer Veröffentlichung „Dynamic Risk Management: Eine Einführung in das DRM-Kernmodell“ vom 29.04.2025 vorgestellt haben, veranschaulicht werden sollen.

Ausgangslage

Eine Bank verfügt über einen Kapitalbetrag von 1.000 EUR in vorzeitig rückzahlbaren, festverzinslichen Vermögenswerten sowie 1.000 EUR an variabel verzinslichen, befristeten Verbindlichkeiten.

Die Risikomanagementstrategie (RMS) der Bank besteht darin, die Veränderung des Nettozinsertrages (ΔNII) durch Marktwert-veränderungen infolge von Zinsänderungen zu steuern. Die Risikominderungsabsicht (RMI) der Bank ist es, das Zinsänder-ungsrisiko um 80% zu reduzieren. (Kurz gesagt: Die Bank beabsichtigt, ihre Festzinsposition weitestgehend in eine variable Zinsposition umzuwandeln).

Zur Umsetzung der RMI schließt die Bank ein Zinsswap-Geschäft ab, bei dem sie einen festen Zinssatz zahlt und einen variablen Zinssatz erhält. Zu Beginn jeder Periode führt die Bank eine prospektive Bewertung durch, um sicherzustellen, dass die RMI die aktuelle offene Nettorisikoposition (CNOP) in eine Rest-Risikoposition innerhalb des Zielprofils transformiert und keine Überabsicherung besteht.

Die nachfolgende Tabelle fasst die Annahmen über die Zins-struktur zusammen. Dabei haben sich vom Periodenanfang zum Periodenende beide Kurven parallel um 300 Basispunkte nach unten verschoben.

Tabelle 1 Übersicht der angenommenen Zinsstruktur zum Periodenbeginn und nach einer Periode

Szenario 1

In diesem Szenario ist die Annahme, dass es keine unerwarteten Veränderungen innerhalb der Periode gibt. Am Perioden-anfang in T0 wird durch einen Risikomanager die CNOP bestimmt. Zur selben Zeit wird ein vier-Jahres Zinsswap mit einem Nominal von 800 EUR designiert. Dieser hat ein fixed Pay-Leg mit einer Rate von 5,287% und ein variables Receive-Leg basierend auf der in Tabelle 1 gegebenen Forward-12M-Floating-Rate-Kurve. Der Swap hat folgendes Zahlungsprofil:

Tabelle 2 Offene Risikoposition und Zinsswap des designierten Derivates am Periodenanfang

Im nächsten Schritt bestimmt der Buchhalter basierend auf der offenen Risikoposition und den designierten Derivaten die RMI. In diesem Beispiel wird sich dazu entschieden, dass 80% der offenen Risikoposition durch designierte Derivate mitigiert werden sollen. Das Restrisiko von 200 EUR liegt hier in dem durch die Risikomanagementstrategie vorgegebenen Zielprofil von -300 EUR bis +300 EUR. Es wird prospektiv getestet, dass durch die designierten Derivate sowohl keine neuen Risiken eingeführt und als auch keine offenen Risiken übermitigiert werden. Zusammengefasst stellt sich die RMI wie folgt dar:

Tabelle 3 Zusammenfassung der RMI

Zur Repräsentation und Dokumentation der RMI wird ein vier-Jahres Benchmark Derivat (BD) konstruiert. Dieses ist spiegel-bildlich zum designierten Derivat, indem es ein fixed Receive-Leg mit einer Rate von 5,287% und ein variables Pay-Leg ba-sierend auf der Forward-12M-Floating-Rate-Kurve bei einem Nominal von 800 EUR hat. Es besitzt folgendes Zahlungsprofil:

Tabelle 4 Zahlungsprofil des Benchmark Derivats 1

Nun werden die Barwerte der Derivate zu Beginn und zum Ende von T0 ermittelt. Aufgrund der Spiegelung des designierten Derivats und des Benchmark Derivats ist die Bewertung des Benchmark Derivats gleich groß und mit entgegengesetztem Vorzeichen im Vergleich zum designierten Derivat. Für dieses ist die Bewertung wie folgt:

Zu Beginn von T0:

Tabelle 5 Bewertung des designierten Derivates zum Periodenbeginn

Dabei berechnet sich (1) aus dem Produkt der fixen Rate von 5,287% und dem Nominal von 800. (2) ergibt sich jeweils aus dem Produkt des Nominal von 800 mit der entsprechenden Forward 12M Floating Rate aus Tabelle 1. Beispielsweise für T0 ist dies 800 * 0.05 = 40. Die Accruals (3) berechnen sich aus der Summe von (1) und (2). Die Diskontfaktoren (4) ermitteln sich auf Basis der jeweiligen Nullkuponraten in Tabelle 1. Abschließend werden die Accruals (3) mit dem jeweiligen Diskontfaktor (4) multipliziert, um den Fair Value (5) zu berechnen. Zum Beispiel für T0: -2,30 * 0,95 = -2,19.

Analog ergibt sich die Bewertung zum Periodenende in der nachfolgenden Tabelle:

Zum Ende von T0:

Tabelle 6 Bewertung des designierten Derivates zum Periodenende

Dies führt zu folgender aggregierter Bewertung am Periodenende:

Tabelle 7 Aggregierte Bewertung am Periodenende

Das DRM-Adjustment ergibt sich als das Minimum der Beträge von (a) und (b) aus Tabelle 7, dem sogenannten „lower of“. In diesem Beispiel hat daher das DRM-Adjustment einen Wert von 73,41 EUR.

Szenario 2

In diesem Szenario wird am Periodenende festgestellt, dass sich die Erwartungen bezüglich der Rückzahlungen an die Bank geändert haben. Es wird erwartet, dass ein Anteil von 500 EUR bereits ein Jahr früher, d. h. bereits zum Ende von  zurückgezahlt werden. Dies führt zu einer übermäßigen Absicherung in der letzten Periode.

In diesem Szenario wird am Periodenende festgestellt, dass sich die Erwartungen bezüglich der Rückzahlungen an die Bank geändert haben. Es wird erwartet, dass ein Anteil von 500 EUR bereits ein Jahr früher, d. h. bereits zum Ende von T2 zurückgezahlt wird. Dies führt zu einer übermäßigen Absicherung in der letzten Periode.

Retrospektiv muss der Buchhalter die Auswirkungen der Änderungen auf die RMI bewerten und kommt zu dem Schluss, dass auf Basis der initialen RMI in T3 insgesamt 800 EUR, anstatt der nach den Änderungen benötigten, 500 EUR mitigiert werden. Die Auswirkungen der unerwarteten Veränderungen sind in der nachfolgenden Tabelle noch einmal übersichtlich dargestellt:

Tabelle 8 Auswirkungen der unerwarteten Änderungen

Um den Effekt der unerwarteten Änderungen zu berücksichtigen, muss die RMI angepasst werden. Dies bildet der Buchhalter in diesem Beispiel durch zusätzliche BD ab, damit das DD nicht Risiken mitigiert, die gar nicht mehr existieren. Die Zahlungspro-file der zusätzlichen BD sind in folgender Tabelle zusammengefasst:

Tabelle 9 Zahlungsprofile der Benchmark Derivate 2 und 3

Dabei hat der vier-Jahres BD Swap 2 ein fixes Pay-Leg mit Rate 5.287% und der drei-Jahres BD Swap 3 ein fixed Receive-Leg mit Rate 5.193%. Die zusätzlichen BD sind dabei gegensätzlich zueinander mit einem Nominal von 300 EUR. Die BD 2 und 3 werden per Definition so konstruiert, dass sie zum Periodenanfang einen Fair Value von Null haben. Ihre Bewertung zum Perio-denende stellt sich folgendermaßen dar:

Zum Ende von T0:

Tabelle 10 Bewertung BD 2 und 3 am Periodenende

Dies führt zu folgender aggregierter Bewertung am Periodenende:

Tabelle 11 Aggregierte Bewertung am Periodenende

Das DRM-Adjustment ergibt sich als das Minimum der Beträge von (c) und (d) aus Tabelle 11. In diesem Beispiel hat daher das DRM-Adjustment einen Wert von 64,48 EUR. Der realisierte Nutzen des Dynamic Risk Managements wird über die Zeit in der Gewinn- und Verlustrechnung erfasst. Dies erfolgt auf Basis des „lower of“ des kumulierten Kuponertragsprofils zwischen den designierten und Benchmark Derivaten, in diesem Fall also 2,02 EUR LTD.

Ausblick

In dieser Veröffentlichung haben wir anhand eines illustrativen Beispiels die Grundkonzepte und Mechaniken des DRM-Kernmodells veranschaulicht. Allgemein hat das IASB sowohl noch nicht alle Themen im Zusammenhang mit dem DRM-Modell abschließend geklärt als auch alle offenen Fragen beantwortet. Für dieses Jahr wurde ein sogenannter „Exposure Draft“ angekündigt, von dem wir uns erhoffen, dass dieser neue Informationen zu ungeklärten Fragen und offenen Anforderungen des DRM-Modells (wie z. B. welche nicht-linearen und außer-börslich gehandelte Derivate möglich sind) bringt. Das Thema Dynamic Risk Management bleibt auch in Zukunft ein relevantes und spannendes Thema.

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Quellenverzeichnis

[1] IASB, Webcast series: Dynamic Risk Management. Webcast series dynamic risk management, zuletzt abgerufen am 11.04.2025

[2] IASB, Agenda Paper 4A: DRM Model – Illustrative Examples. Agenda Paper 4A, zuletzt abgerufen am 11.04.2025

[3] Dr. C. Keller, C. Queckenberg, P. T. Philipp, Dynamic Risk Management: Eine Einführung in das DRM-Kernmodell. Einführung in das DRM-Kernmodell, zuletzt abgerufen am 29.04.2025


Autoren

 

Dr. Carsten Keller

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Clemens Queckenberg

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