Benchmarking-Studie zur Abwicklungsplanung & Ausblick 2024

Photo by Christian Lue on Unsplash, Abgerufen am 04.08.2023.

 

Hintergrund

Das Jahr 2023 ist das letzte Jahr, in dem die Aktivitäten zur Erfüllung der Anforderungen an die Abwicklungsfähigkeit umgesetzt werden sollen, die erstmalig im Jahr 2020 in Form der Expectations for Banks formuliert wurden. Ab 2024 müssen diese von den vom SRB beaufsichtigen Instituten gesetzlich verpflichtend eingehalten werden. Vor diesem Hintergrund führten wir mittels Befragungen im Frühjahr und Sommer dieses Jahres eine Benchmarking-Studie zum Thema Abwicklungsplanung mit neun verschiedenen Instituten durch, in der ausgewählte Punkte entlang der Prinzipien und Dimensionen der Expectations for Banks betrachtet werden. Dabei wurde aufgezeigt, welche Ansätze die Institute wählten, um die Anforderungen zu erfüllen, wie der aktuelle Umsetzungsstand ist und welche Arbeiten noch von den Abwicklungsbehörden erwartet werden. Den detaillierten Bericht der Studie erhielten die Teilnehmer exklusiv. Der vorliegende Insight fasst wesentliche Erkenntnisse zusammen.

Teilnehmerkreis

Insgesamt haben neun Institute an der Studie teilgenommen, darunter zwei Privatbanken und sieben Institute, die unter dem Typ öffentlich-rechtlich/genossenschaftlich zusammengefasst wurden (Landesbanken, Sparkassen etc.). Bei einem Institut betrug die Bilanzsumme Ende 2022 mehr als 350 Mrd. EUR, bei zwei mehr als 160 Mrd. EUR. Unter den anderen Instituten rangieren jeweils drei im Bereich von 30-60 Mrd. EUR bzw. 90-160 Mrd. EUR. 

Mit Ausnahme eines Instituts wird bei allen befragten Studienteilnehmern ein Single Point of Entry (SPE) Ansatz mit Bail-in als präferierter Abwicklungsstrategie verfolgt – in drei Fällen auch in Kombination mit einem Sale of Business (Share Deal). Das übrige Institut stellt eine Nicht-Abwicklungseinheit dar, für die ein interner Verlusttransfermechanismus gegenüber der Muttergesellschaft angestrebt wird. Die alternative Abwicklungsstrategie sieht größtenteils ein Bail-in in Kombination mit Sale of Business (SoB) vor. In den Fällen, wo Bail-in und SoB bereits die präferierte Strategie darstellen, beinhaltet die alternative Strategie einen Asset Deal oder ein Brückeninstitut statt eines Share Deals. Für insgesamt drei Institute wurde keine alternative Strategie kommuniziert.

Sieben der befragten Institute haben ihren Sitz in Deutschland und zwei in anderen (nicht deutsch-sprachigen) EU-Ländern.

Zwei der Institute wurden erst nachträglich zu Abwicklungsinstituten und haben deshalb manche Arbeiten ggf. später begonnen bzw. müssen sie verschiedene Anforderungen erst später als Anfang 2024 erfüllen.

Abbildung 1 Übersicht über die Eigenschaften der Studienteilnehmer


Key Findings

Die Ergebnisse der Befragungen zeigen auf manchen Gebieten Unterschiede sowohl hinsichtlich der Aktivitäten der Banken als auch bei der Erwartungshaltung der Abwicklungsbehörde. Beim Thema Testing bspw. sind Dry-Runs im Zusammenhang mit einem Bail-in bei fast allen Instituten durchgeführt worden oder geplant, während nur einzelne Institute bereits aktiv mit Tests zu Bereichen wie Liquidität oder operationelle Kontinuität arbeiten.

Abbildung 2 Durchgeführte und geplante Testaktivitäten

Das weitere Vorgehen bzgl. der Testaktivitäten steht ebenfalls in starker Abhängigkeit zu den Anforderungen aus den EBA-Leitlinien zur Abwicklungsfähigkeit (EBA/GL/2022/01 sowie EBA/GL/2023/05). Wurde von verschiedenen Instituten erwartet, dass sich bzgl. des Zusammenspiels mit den EBA-Leitlinien in den im Oktober versendeten Arbeitsschwerpunkten für 2024 geäußert wird, ist dies leider nicht geschehen. Stattdessen wurde übergreifend festgelegt, dass eine Aktivität für alle Institute, welche vom SRB betrachtet werden, das Testing im Themengebiet Valuation ist. Ergänzend haben nahezu alle Institute Anforderungen zur Durchführung weiterer Dry Runs im Bereich Bail-in erhalten.

Abbildung 3 Anpassungen im Datenhaushalt im Zusammenhang mit der Mobilisierung von Collateral

Die Studie hat gezeigt, dass beim Bail-in Playbook die meisten Institute ungefähr auf demselben Stand sind. Während für manche Institute von der Aufsicht allerdings eine weitere Fokussierung auf ein Bail-in oberer Haftungsränge gefordert wird und Themen wie der interne Verlusttransfermechanismus und der Reorganisationsplan explizit zurückgestellt worden sind, gilt das Umgekehrte für einzelne andere vergleichbare Institute. Bei der Mobilisierung von Collateral kamen praktisch alle Institute zu dem Schluss, dass im Fall einer Abwicklung ein Funding über die Zentralbanken oder den SRF die realistischste Option darstellt, wobei eine einzige der befragten Banken auch bereits Anforderungen zur Anpassung des internen Datenhaushalts an die IT gestellt hat, um nicht marktfähige und nicht zentralbankfähige mobilisierbare Assets zu identifizieren.

Abbildung 4 Zuständigkeit für die Erstellung/Aktualisierung des Service-Katalogs in der Linie

Beim Thema operationelle Kontinuität in der Abwicklung wurden die meisten Institute vom dahinterstehenden Aufwand überrascht. Auch hier sind verschiedene Herangehensweisen, zurückzuführen auf verschiedene vorhandene Ausgangsmöglichkeiten in den Häusern, sichtbar. Dies betrifft die gewählte Grundlage für die Service-Taxonomie – meist Prozesse oder eine Form von Prozessclustern, aber auch Leistungsverrechnungsverzeichnisse – sowie die Zuständigkeit bei der Betreuung in der Linie, die für den Service-Katalog bei einem Drittel der Studienteilnehmer noch ungeklärt gewesen ist.

In einigen Bereichen gleichen sich die Vorgehensweisen der befragten Institute stark, was sich in der Regel durch die inhaltlichen Fragestellungen und die klare aufbauorganisatorische Zuordnung erklären lässt. Letzteres ist beispielsweise beim Thema Kommunikation in der Abwicklung der Fall - die Dimension, die ungeachtet ihrer Wichtigkeit wohl am wenigsten Arbeit bei den Instituten und Rückfragen der Aufsicht verursachte. Hier sehen alle befragten Institute den Stand ihres Kommunikationsplans und der entsprechenden Governance als sehr weit vorangeschritten und bessern nur bei marginalen Anmerkungen seitens der Aufsicht nach. Das Thema Valuation beschäftigt ebenfalls fast alle Institute gleichermaßen, wobei hier in der Regel hoher Aufwand verursacht wird und zwei Drittel der befragten Banken größere Umsetzungsprojekte durchführen. Schließlich ist innerhalb der Dimension Separabilität je nach Abwicklungsstrategie der Restrukturierungsplan oder Arbeit zur Transferierbarkeit relevant. Bei Letzterem ähneln sich die Herangehensweisen wiederum, während es bei ersterem oft an klarer Guidance seitens der Aufsicht mangelt.

Ausblick 2024

Wie bereits weiter vorne in dem vorliegenden Beitrag dargestellt, haben die vom SRB betrachteten Institute in den letzten Wochen ihre Arbeitsschwerpunkte für 2024 erhalten. Bei den für den gesamten Bankensektor identischen Schwerpunkten handelt es sich einerseits um das bereits erwähnte Testing des Valuation Data Sets. Andererseits erfolgt eine weitere Schwerpunktsetzung auf das Themengebiet Liquidität in der Abwicklung. Hier ist zu erwarten, dass die in diesem Jahr erstmalig eingereichten Joint Liquidity Templates der EZB und des SRB erneut eingereicht werden. Spezifische Schwerpunkte, die den Instituten mitgeteilt wurden, orientieren sich an den vergangenen Arbeiten und den individuellen Abwicklungsstrategien. Weitere Dry-Runs im Bereich des Bail-ins oder auch Detaillierungen in Separierbarkeitsanalysen oder den Entwürfen zur Kernbank sind bei verschiedenen Instituten gefordert.

Neben den in den Working Priorities genannten Schwerpunkten sind ebenfalls die EBA-Leitlinien zur Abwicklungsfähigkeit (EBA/GL/2022/01 sowie EBA/GL/2023/05) zu berücksichtigen. Diese werden zwar nicht explizit in den Schreiben an die Banken genannt, jedoch fordern die Leitlinien selbst, dass Institute bis Ende 2024 ein Self Assessment Report gegen diese erstellen. Bis Ende 2025 müssen dann die Abwicklungsbehörden ein mehrjähriges Testprogramm an die Institute übermitteln, welche im Gegenzug bis Ende 2025 einen Entwurf für ein erstes Master Playbook erstellen sollen. Grundsätzlich ist zu erwarten, dass die Abwicklungsbehörden sich zu diesen Anforderungen im Verlaufe des kommenden Jahres positionieren werden.

Finbridge als Ihr Partner für die Abwicklungsplanung

Finbridge unterstützt Sie bei der Umsetzung der Anforderungen zur Abwicklungsplanung. Unsere Expertinnen und Experten haben teils selbst bei der Bundesbank, dem SRB und Anbietern von Meldewesen-Software gearbeitet. Sie sind am Markt in Vorstudien, Proberechnungen und Umsetzungsprojekten im Kontext Abwicklungsplanung und Aufsichtsrecht mit langjähriger Erfahrung aktiv und können Sie bei all den Herausforderungen mit fundierter Erfahrung und Expertise wertstiftend unterstützen. Aufgrund unseres umfangreichen Fachwissens in der Gesamtbanksteuerung, gekoppelt mit weitreichender umsetzungsorientierter Praxiserfahrung rund um die Abwicklungsplanung, können wir flexibel auf Ihre Wünsche und Institutsspezifika eingehen und begleiten Sie bis zur Erfüllung der Erwartungen der Abwicklungsbehörden.

Sie haben Fragen zu den fachlichen Änderungen im Detail? Unsere Experten stehen Ihnen mit ihrem fachlichen Know-how bei der Planung und Umsetzung gerne zur Seite.


 

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