Die EU-Omnibus-Verordnung: Ein weiterer Schritt in der Nachhaltigkeitsberichterstattung
Im Zuge der Globalisierung und der damit einhergehenden Zunahme der ESG-Herausforderungen wird es zunehmend wichtiger, über nachhaltige Entwicklung zu berichten. Unternehmen sind sowohl ökonomisch als auch ökologisch und gesellschaftlich verantwortlich. Eine klare, konsistente und transparente Nachhaltigkeitsberichterstattung schafft Vertrauen, identifiziert Risiken und ermöglicht das Treffen fundierter Entscheidungen. Durch die Einführung verbindlicher Berichtspflichten sollen Unternehmen dazu angeregt werden, Verantwortung zu übernehmen und einen Beitrag zur Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele zu leisten. Warum ist eine solche Berichterstattung so wichtig? Sie fördert nicht nur das Vertrauen von Investoren und Konsumenten, sondern trägt auch zur langfristigen Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen bei, die eine nachhaltige und zukunftsfähige Entwicklung anstreben.
In diesem Sinne ist auch die im Folgenden beschriebene Omnibus-Verordnung zu verstehen, die derzeit von der EU bearbeitet wird.
Die Omnibus-Verordnung
In einer Rede vom 08. November 2024 kündigte die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine neue Verordnung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung an. Diese sogenannte Omnibus-Verordnung ist definiert als eine Gesetzesänderung, welche bestehende Gesetze beziehungsweise Rechtsakte unter einer neuen Verordnung zusammenfasst.
Die Verordnung bündelt die folgenden bestehenden Regelungen zur Nachhaltigkeitsberichterstattung in der EU: die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) und die EU-Taxonomieverordnung. Neben den genannten Richtlinien und Verordnungen hat die Verabschiedung ebenfalls Einfluss auf das Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM). Ziel ist es, Überschneidungen und Doppelungen durch die Regelungen zu vermeiden. Prognosen zufolge sollen die Unternehmen hierdurch bis zu 6 Mrd. EUR einsparen können.
Am 11. Februar wurde von der Europäischen Kommission ihr Arbeitsprogramm für das Jahr 2025 veröffentlicht. Dieses enthält Strategien sowie Rechtsetzungsinitiativen und Aktionspläne für die kommende Wahlperiode. Darin wurden die drei folgenden Pakete der Omnibus-Verordnung aufgeführt:
Paket 1: Nachhaltigkeit (legislativ, Q1 2025)
Paket 2: Vereinfachung der Investitionen (legislativ, Q1 2025)
Paket 3: Abschaffung der Papieranforderungen und Regelung in Bezug auf KMU (legislativ, Q2 2025)
Inhalte der Omnibus-Verordnung
Erklärter Inhalt der Verordnung ist der breitenwirtschaftliche Abbau der Bürokratie und Verwaltungsaufwand in der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Folgende Absätze fassen die Schlüsseländerungen zusammen:
Kriterien des Anwendungsbereich für eine CSRD-Berichtspflicht
Durch die Änderung des Anwendungsbereichs der CSRD sollen ca. 80% weniger Unternehmen im Rahmen der Regulatorik berichtspflichtig sein. Zuvor waren Unternehmen mit >250 Mitarbeitern und >50 Mio. EUR Umsatz oder >25 Mio. EUR Bilanzsumme dazu verpflichtet im Rahmen der CSRD zu berichten. Nun wurde die Mitarbeiteranzahl von >250 auf >1.000 Mitarbeiter erhöht, während Umsatz- und Bilanzsummenschwelle gleichbleiben. Die Unternehmen, die weiterhin in der Berichtspflicht stehen, haben ab Inkrafttreten der Verordnung weniger zu berichten. Die Unternehmen der ersten Welle sind verpflichtet noch in diesem Jahr zu berichten. Die Frist für die Berichterstattung der Unternehmen der zweiten und dritten Welle wird auf das Jahr 2028 (Berichte für 2027) verschoben werden, um den Unternehmen mehr Zeit für die Umsetzung zu gewähren. Für Unternehmen, die nicht mehr im Rahmen der CSRD-Richtlinie berichten müssen, und insbesondere für KMU soll der VSME-Standard der ERFRAG für freiwillige Berichterstattung angenommen werden.
Vereinfachungen bezüglich der ESRS
In Bezug auf die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) wird es eine Überprüfung der Nachhaltigkeitsstandards und folglich eine Vereinfachung geben. Diese soll maximal sechs Monate nach Inkrafttreten der Omnibus-Verordnung in Form eines Rechtsaktes erlassen werden. Die Datenpunkte der ESRS sollen um 25% bis 35% reduziert werden. Derzeit sind es ca. 1.150 Datenpunkte (davon 297 quantitative). Es soll geprüft werden, welche Datenpunkte aussagekräftig und zweckmäßig sind. Mit der ESRS wurde sektorspezifische Standards der Berichterstattung eingeführt. Diese sollen im Rahmen der Omnibus-Verordnung gestrichen werden.
Reaktionen auf die Kritik in der Lieferkettensorgfalt
Bei der CSDDD wurden ebenfalls Änderungen auf den Geltungsbereich vorgenommen. Zuvor war die gesamte Wertschöpfungskette zu betrachten, nach der Omnibus-Verordnung wird der Scope auf direkte Lieferanten (Tier-1-Lieferanten) limitiert. Die Risikobewertung limitiert sich ebenfalls auf die direkten Geschäftspartner. Bei überzeugenden Hinweisen darf die Sorgfaltspflicht auf indirekte Geschäftspartner ausgeweitet werden. Die Verpflichtung der Prüfung der Sorgfaltspflichtsmaßnahmen der CSDDD wird drastisch vereinfacht: von jährlich auf einen fünfjährigen Zyklus. Der Code of Conduct soll jedoch weiterhin über die ganze Wertschöpfungskette hinaus umgesetzt werden. Darüber hinaus sollen die Geldstrafen angepasst werden. Diese sollen nicht mehr an den internationalen Umsatz gekettet sein. Hier soll es eine Zusammenarbeit der Kommission mit den Mitgliedsstaaten geben, um eine neue Bußgeldregelung zu erarbeiten. Außerdem gibt es Änderungen in Bezug auf die Haftung. Es sollen fortan nationale Haftungsregeln geltend gemacht werden. Die Erstanwendung soll auf Mitte 2028 verschoben werden.
Anpassungen der Schwellenwerte der EU-Taxonomie
Auch in Bezug auf die EU-Taxonomieverordnung bringt die Omnibus-Verordnung Änderungen. Ähnlich wie bei der CSRD ändern sich die Schwellenwerte. Es sollen nur große Unternehmen >1.000 Mitarbeitern und 450 Mio. EUR Umsatz berichten müssen. Unternehmen unterhalb der Werte dürfen die EU-Taxonomieverordnung freiwillig anwenden, wobei ihnen dabei freie Handhabung gelassen wird. So sind ca. 80% der Unternehmen aus dem Scope genommen und von der Berichtspflicht befreit worden.
Überarbeitung der CBAM
Neben den Regulierungen bezüglich CSRD, CSDDD und der EU-Taxonomieverordnung bestrebt die Omnibus-Verordnung auch den CO2- Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) zu vereinfachen. Bisher waren gemäß des Anwendungsbereichs Einfuhren von 150 EUR betroffen. Die Omnibus-Verordnung plant statt den Wert von 150 EUR zu nehmen, Einfuhren auf 50 Tonnen im Jahr zu betrachten. So reduziert sich der Scope um ca. 90% für betroffene Unternehmen. Durch die Erhöhung des Wertes sollen auch im Falle der CBAM die bürokratischen Aufwände vermindert werden.
Vor- und Nachteile für die betroffenen Unternehmen
Nachdem die Verordnung veröffentlicht wurde, lassen sich bereits einige Vor- und Nachteile für die Unternehmen identifizieren, die sich wie folgt zusammenfassen lassen.
Durch die Konsolidierung der verschiedenen Richtlinien und Verordnungen in der Omnibus-Verordnung, wie die Änderungsschwellen für berichtspflichtige Unternehmen, ist es den europäischen Unternehmen möglich effizienter zu arbeiten. Dies ist auf die Reduzierung der Bürokratie zurückzuführen. Nicht nur den Unternehmen wird mehr Zeit für die Umsetzung der Regularien eingeräumt, auch für die Mitgliedsstaaten gibt es mehr Zeit für die Umsetzung in das jeweilige nationale Recht.
Als Nachteil kann jedoch die Bedrohung der ursprünglich gesetzten Nachhaltigkeitsziele gesehen werden. Durch die Minderungen der Anforderungen an Berichtspflichtige könnten die Nachhaltigkeitsziele der EU verfehlt werden. Dies kann zu Misstrauen gegenüber der europäischen Umweltpolitik führen. Darüber hinaus besteht das Risiko einer Lücke in der Regulierung. Für die Unternehmen besteht durch die Veröffentlichung Verunsicherung, bezüglich des weiteren Vorgehens in der Berichterstattung. Dies gilt besonders für solche Unternehmen, die bisher schon Arbeit und Kosten in die Umsetzung der Regularien investiert haben.
Zusammenfassung
Eine neue Verordnung, welche die betroffenen Unternehmen entlasten, und die Bürokratie mindern soll – ohne die Wettbewerbsfähigkeit zu beeinflussen. So der Gedanke gemäß der Omnibus-Verordnung der EU-Kommission. Die folgende Abbildung zeigt zusammenfassend die Änderungen, die durch die Omnibus-Verordnung angekündigt worden sind.
Tabelle 1 Übersicht der Änderungen der einzelnen Richtlinien/ Verordnungen durch die Konsolidierung der Omnibus-Verordnung
Ausblick
Nach der Veröffentlichung der Verordnung am 26. Februar 2025 ist nun der Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates der EU abzuwarten. Dabei kann es durch das Parlament und den Rat noch zu Änderungen oder Anpassungen kommen. Am 10. März 2025 trifft sich das Europäische Parlament zu einer Debatte in Straßburg, um über die Verordnung zu diskutieren. Dabei werden jedoch noch keine endgültigen Entscheidungen getroffen, es wird lediglich debattiert. Die Diskussion zeigt, dass Kritik daran besteht, das Kriterium der Beschäftigten im Unternehmen derart drastisch zu erhöhen. Ein genauer Termin für die Verabschiedung ist dabei jedoch noch nicht genannt worden. Nach Verabschiedung der Verordnung werden die EU-Mitgliedsstaaten dazu aufgerufen werden, die Verordnung in nationales Recht umzusetzen.
Trotz der Änderungen der Verordnungen haben die Unternehmen noch die Pflicht aktuell geltenden Verordnungen und Richtlinien zu befolgen, bis die Omnibus-Verordnung offiziell angenommen und verabschiedet wird. Es bleibt demnach spannend, inwiefern Deutschland mit der neuen Verordnung umgehen wird. Da die Richtlinien der CSRD im letzten Jahr nicht in das deutsche Recht umgesetzt wurden, trotz Fristsetzung, ist es nun besonders interessant, wie es für die deutsche Unternehmen der ersten Welle weitergehen wird.
Unser Angebot an sie
Finbridge verfolgt die regulatorischen Änderungen, die sich aus der neuen Omnibus-Verordnung ergeben, sehr genau und prüft insbesondere alle Veröffentlichungen, die sich mit diesem Thema befassen. So stellen wir sicher, dass wir stets über die neuesten Entwicklungen informiert sind. Falls ihr Unternehmen Berührungspunkte mit Nachhaltigkeitsregularien wie der CSRD, CSDDD, EU-Taxonomieverordnung oder auch der CBAM hat, haben die Änderungen der Omnibus-Verordnung Auswirkungen auf Ihr Unternehmen. Unsere Expertinnen und Experten können Sie auf der Grundlage unseres umfassenden Fachwissens im Bereich der Regulierung sowie unserer weitreichenden praktischen und umsetzungsorientierten Erfahrung unterstützen.
Fragen zu den Regularien der EU im Allgemeinen oder den Änderungen durch die Omnibus-Verordnung im Einzelnen? Unsere Finbridge-Expertinnen und -Experten stehen Ihnen gerne mit ihrem fachlichen Know-how bei der Analyse, der Planung und der Umsetzung zur Seite.
Quellenverzeichnis
[1] European Commission: Commission work programme 2025. Commission work programme 2025 - European Commission zuletzt abgerufen am 11.03.2025
[2] European Commission: Commission simplifies rules on sustainability and EU investments, delivering over €6 billion in administrative relief. Commission simplifies rules on sustainability and EU investments zuletzt aberufen am 27.02.2025
[3] European Commission: Questions and answers on simplification omnibus I and II. Q&A on simplification omnibus I and II zuletzt abgerufen am 03.03.2025
[4] European Commission: Omnibus I. Omnibus I - European Commission zuletzt abgerufen am 28.02.2025
[5] European Commission: Omnibus II. Omnibus II - European Commission zuletzt abgerufen am 28.02.2025
[6] European Commission: ANNEXES to the COMMUNICATION FROM THE COMMISSION TO THE EUROPEAN PARLIAMENT, THE COUNCIL, THE EUROPEAN ECONOMIC AND SOCIAL COMMITTEE AND THE COMMITTEE OF THE REGIONS. abrufbar unter Commission work programme 2025 - European Commission zuletzt abgerufen am 11.03.2025
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