Wie wirken sich die CRR-III-Neuerungen auf das CVA-Risiko aus?

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Überblick

Das CVA- (Credit Value Adjustment) Risiko beschreibt das Risiko einer Anpassung der Kreditbewertung. Berücksichtigt man das CVA-Risiko zusätzlich bei der Kreditrisikounterlegung, fließt demnach in die Risikobetrachtung auch eine schlechtere Produktbewertung aufgrund der Bonitätsverschlechterung einer Gegenpartei mit ein. Da während der globalen Finanzkrise auch deutliche CVA-Verluste beobachtet wurden (beispielsweise gesunkene Derivate-Bewertungen wegen verschlechterter Kreditqualität der Derivate-Gegenparteien), enthält das Rahmenwerk Basel IV (offiziell: Basel III. Finalising post-crisis reforms) Neuerungen zur Berechnung von Eigenmittelanforderungen hinsichtlich des CVA-Risikos für Banken. Diese Neuerungen sollen in der CRR (Capital Requirements Regulation) III manifestiert werden. Zugehörige gesetzliche Neuentwürfe wurden bereits 2021 durch die Europäische Kommission, 2022 durch den Europäischen Rat und 2023 durch das Europäische Parlament vorgelegt.

Die bisherigen Berechnungen der Eigenmittelanforderungen für das CVA-Risiko mithilfe einer standardisierten Formel bzw. eines internen Modells sollen nun vollständig durch die Nutzung eines Standard-, Basis-, bzw. vereinfachten Ansatzes abgelöst werden. Relevant sind insbesondere die neu ergänzten Gesetzesartikel 382a bis 386:

  • 382a: Ansätze zur Berechnung der Eigenmittelanforderungen für das CVA-Risiko

  • 383: Erklärung des Standardansatzes

  • 384: Erklärung des Basisansatzes

  • 385: Erklärung des Vereinfachten Ansatzes

  • 386: Anerkennungsfähige Absicherungsgeschäfte für das CVA-Risiko

Es ist gemäß Artikel 382a auch möglich, den Standardansatz zusammen mit dem Basisansatz zu nutzen. Die Ansatzwahl erfolgt dann z.B. je Gegenpartei oder je Nettingsatz. Die unterschiedlichen Berechnungsansätze sind im Folgenden aufgeschlüsselt.

Artikel 383: Standardansatz

Um den Standardansatz nutzen zu dürfen, muss ein Institut einen separaten CVA-Handelstisch haben, der für das CVA-Risiko und die entsprechenden Absicherungsgeschäfte zuständig ist. Es muss außerdem für jede seiner Gegenparteien ein regulatorisches CVA-Modell gemäß den Vorgaben aus Artikel 383a entwickelt haben und mindestens monatlich alle zugehörigen Sensitivitäten berechnen können. Sind diese Anforderungen erfüllt, können die zuständigen Behörden einem Institut die Nutzung des Standardansatzes erlauben. Damit lassen sich wie folgt die Eigenmittelanforderungen für die CVA aller Gegenparteien bestimmen – gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung der anerkennungsfähigen Absicherungsgeschäfte („hedges“).

Die Berechnung der Eigenmittelanforderungen für das CVA-Risiko mit dem Standardansatz ist im Gesetzesentwurf zunächst gegenüber den folgenden Risikoklassen geregelt:

  • Zinsrisiko

  • Fremdwährungsrisiko

  • Gegenpartei-Kreditspreadrisiko

  • Referenz-Kreditspreadrisiko

  • Aktienkursrisiko

  • Warenpositionsrisiko

Diese Risikoklassen werden nochmals in verschiedene Unterklassen aufgeteilt, beispielsweise nach unterschiedlichen Laufzeiten für das Zinsrisiko, nach Sektoren für das Kreditspreadrisiko oder nach Güterkategorien (z.B. Brennstoffe zur Energieerzeugung oder unedle Metalle) im Falle des Warenpositionsrisikos. Für jede dieser Unterklassen werden außerdem verschiedene Risikofaktoren berücksichtigt. Man unterscheidet hier zwischen den (nicht-volatilitätsbedingten) Delta-Faktoren und den (volatilitätsbezogenen) Vega-Risikofaktoren. Zum Beispiel sind beim Warenpositionsrisiko erstere gerade die Waren-Kassakurse und letztere die impliziten Volatilitäten einer Güterkategorie.

Insgesamt werden die CVA-Eigenmittelanforderungen im Standardansatz (SA) für jede Risikoklasse RK jeweils aus den Sensitivitäten aller Unterklassen – unter Beachtung von deren Korrelationen – folgendermaßen zusammengesetzt:

\[CV{A_{SA}^{RK}}_\ =m\cdot\sqrt{\sum_{b} K_b^2+\sum_{b}\sum_{b\prime\neq b}\gamma_{b,b\prime}S_bS_{b\prime}}\]

m: Faktor (in der Regel 1) – kann für eine konservativere Berechnung durch die Behörden erhöht werden

K: Sensitivität einer Risikounterklasse b

γ: Korrelationsparameter zwischen zwei Unterklassen b und b‘

S: Hilfsgröße (Nettosensitivitäten) einer Risikounterklasse b

Die Werte des Korrelationsparameters γ  können für die vorgegebenen Risikounterklassen direkt im Gesetzesentwurf nachgeschlagen werden. Bei der Hilfsgröße S handelt es sich um die gewichtete Summe aller Nettosensitivitäten einer Unterklasse b, die jedoch nach oben durch die Sensitivität K und nach unten auf -K beschränkt wird:

\[S_b=\max\left(-K_b;\min\left(\sum_{k\in b} WS_k; K_b\right)\right)\]

WS: gewichtete Nettosensitivität eines Risikofaktors k (d.h. Delta- bzw. Vega-Faktor) der Unterklasse b

K: Sensitivität einer Risikounterklasse b

Die Sensitivität einer Unterklasse b wird dazu folgendermaßen berechnet:

\[K_b=\sqrt{\sum_{k\in b}{WS}_k^2+\sum_{k\in b}\sum_{l\neq k\in b}\rho_{k,l}{WS}_k{WS}_l+0,01\cdot\sum_{k\in b}\left({WS}_k^{hedges}\right)^2}\]

WS: gewichtete Nettosensitivität eines Risikofaktors k (d.h. Delta- bzw. Vega-Faktor) der Unterklasse b

ρ: Korrelationsparameter, der zwischen zwei Risikofaktoren k und l innerhalb einer Unterklasse b gilt

WS(hedges): gewichtete Sensitivität des Marktwerts aller anerkennungsfähigen Absicherungsgeschäfte im CVA-Portfolio gegenüber dem Risikofaktor k

Sofern keine anerkennungsfähigen Absicherungsgeschäfte vorliegen, kann der dritte Summand, der die Sensitivitäten der Hedges berücksichtigt, ignoriert werden. Die Korrelationsparameter  lassen sich in Abhängigkeit der Risikofaktoren ebenfalls direkt im Gesetzesentwurf nachschlagen. Gewichtete Sensitivitäten bestimmen sich wie folgt:

\[WS_k=RW_k\cdot S_k\]

RW: Risikogewicht eines relevanten Risikofaktors k

S: die vom Institut monatlich zu berechnende Netto-Sensitivität eines Risikofaktors k

Auch die hier verwendeten Risikogewichte können wieder direkt im Gesetzesentwurf nachgeschlagen werden.

Sofern anerkennungsfähige Absicherungsgeschäfte berücksichtigt werden, können ihre gewichteten Netto-Sensitivitäten von den Werten WS für jeden Risikofaktor subtrahiert werden. Insgesamt bilden die Absicherungsgeschäfte somit einen reduzierenden Beitrag zu den Eigenmittelanforderungen.

Artikel 384: Basisansatz

Der Basisansatz ähnelt, obwohl der Name etwas anderes impliziert, der bisherigen Standardmethode. Institute berechnen die Eigenmittelanforderungen für das CVA-Risiko nach dem Basisansatz (BA), sofern keine anerkennungsfähigen Absicherungsgeschäfte wie CDS (Einzeladressen-Kreditausfallswaps) und CCDS (Einzeladressen-Eventual-Kreditausfallswaps) berücksichtigt werden, gemäß folgender Formel:

\begin{align*} CVA_{BA}^{unhegded} = & \left(\left(0,5\cdot\sum_{c}\tfrac{1}{1,4} RW_c\sum_{NS\in c} M_{NS}^c\cdot{EAD}_{NS}^c\cdot{DF}_{NS}^c\right)^2 \right. \\ & % \quad + \left. 0,75\cdot\sum_{c}\left(\tfrac{1}{1,4} RW_c\sum_{NS\in c} M_{NS}^c\cdot{EAD}_{NS}^c\cdot{DF}_{NS}^c\right)^2\right)^\frac{1}{2} \end{align*}

RW: Risikogewicht der Gegenpartei c

M: effektive Laufzeit für Nettingsatz NS mit Gegenpartei c

EAD: Risikopositionswert für CCR (counterparty credit risk) des Nettingsatzes NS mit Gegenpartei c

DF: aufsichtsrechtlicher Diskontfaktor für Nettingsatz NS mit Gegenpartei c

Die Risikogewichte können mithilfe des Gesetzesentwurfs ermittelt werden. Der aufsichtsrechtliche Diskontfaktor beträgt 1 für Institute, die ein internes Model zur Ermittlung des Gegenparteiausfallsrisikos nutzen. Ansonsten wird er gemäß folgender Formel ermittelt:

\[{DF}_{NS}^c=20\cdot\left(1-e^{-0,05\cdot M_{NS}^c}\right)/M_{NS}^c\]

Sofern anerkennungsfähige Absicherungsgeschäfte berücksichtigt werden, ergibt sich die Eigenmittelanforderung aus der gewichteten Summe der Eigenmittelanforderung für die unbesicherte sowie für die besicherte Ermittlung der CVA-Charge. Dabei werden die gewichteten Nominalwerte der Absicherungsgeschäfte in Abzug gebracht. Darüber hinaus findet eine separate Sektor-Gewichtung statt.

Artikel 385: Vereinfachter Ansatz

Der vereinfachte Ansatz (VA) zur Ermittlung der CVA-Charge ist nur anwendbar für Institute, die entweder von der zuständigen Behörde die entsprechende Erlaubnis erhalten haben oder folgende Bedingungen (analog den Bedingungen, um das Gegenparteiausfallsrisiko mit Hilfe der Ursprungsrisikomethode berechnen zu dürfen) erfüllen:

Der Umfang des Derivategeschäfts

  • ist nicht größer als 5% der gesamten Vermögenwerte des Instituts und

  • übersteigt nicht 100 Mio. Euro (Nominalvolumen).

Die Eigenmittelanforderungen für das CVA-Risiko gemäß vereinfachtem Ansatz werden dann folgendermaßen bestimmt:

\[CV{A_{VA}}_\ =0,08\cdot{RWA}_{CCR}\]

RWA: Risikogewichtete Aktiva für das Gegenparteiausfallrisiko

Auswirkungen für Institute

Die Neuerungen wirken sich sehr unterschiedlich auf die CVA-Berechnungen verschiedener Institutstypen aus. Proberechnungen sowie die Auswirkungsanalyse der EBA (European Banking Authority) zeigen die folgenden Konsequenzen:

Bei vielen Banken (ca. 75%) führen die Neuerungen zu einem Anstieg der CVA-Charge. Am stärksten betroffen sind hierbei:

  • Große Institute

  • Banken, die mit der bisherigen Standardmethode (im Gegensatz zur Fortgeschrittenen Methode) gearbeitet haben

  • Unbesicherte Portfolios im Basisansatz

Abbildung 1: Percentage change in CVA RWA (relative to total current CVA RWA), by bank size; Sources: EBA 2018-Q2 QIS data and EBA calculations. Sample 105 banks

Insbesondere chancenreich sind die Neuregelungen für:

  • Institute mittlerer Größe

  • Besicherte Portfolios im neuen Standardansatz

Die nachfolgende Impact Studie der EBA erwartet nach Berücksichtigung der fortlaufenden Überarbeitungen, Ausnahmen und Anpassungen der CVA-Berechnung in den Gesetzentwürfen nur noch eine Erhöhung der T1-Belastung im Basel-III-Szenario von 2,6%. Vorhergehende Studien erwarteten noch einen Effekt in Höhe von 4,3%. Im EU-spezifischen Szenario bei dem auch Ausnahmen von der CVA-Berechnung berücksichtigt werden, wird sogar nur noch von einer Erhöhung 0,4% ausgegangen.

Abbildung 2: Delta of the change in total T1 MRC, as a percentage of the overall current Tier 1 MRC, Source: EBA QIS data (December 2021), sample 160 banks

Insbesondere im Vergleich zu den deutlich stärker diskutierten Anpassungen der Ansätze zur Ermittlung des Kreditrisikos sind die Anpassungen zur CVA-Berechnung nicht zu vernachlässigen. Diese bedürfen unbedingt frühzeitiger Analysen hinsichtlich der Wahl des Ansatzes sowie der Sicherstellung der Voraussetzungen zur Nutzung der Ansätze. Darüber hinaus wird es für viele Institute essenziell sein, entsprechende Sicherungsgeschäfte anzurechnen oder diese sogar abzuschließen.

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Autoren: Dr. Julia Mehlitz, André Brier, Matthias Knape


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