Master Playbooks im Rahmen der Abwicklungsplanung

Foto von Kelly Sikkema auf Unsplash, abgerufen am 05.03.2024.

 

Chancen für eine Konsolidierung?

Mit der Veröffentlichung der finalen Fassung der „Leitlinien zur Änderung der Leitlinien EBA/GL/2022/01 für Institute und Abwicklungsbehörden zur Verbesserung der Abwicklungsfähigkeit gemäß den Artikeln 15 und 16 der Richtlinie 2014/59/EU (Leitlinien zur Abwicklungsfähigkeit) zwecks Einführung eines neuen Abschnitts über das Testen der Abwicklungsfähigkeit“ (EBA/GL/2023/05) (im Weiteren nur als „EBA-Leitlinien bezeichnet) wurden verschiedene zusätzliche Anforderungen an Ergebnisobjekte an die vom SRB im Rahmen der Abwicklungsplanung betrachteten Institute gestellt. Neben einem Testprogramm, welches per Definition jedoch vom SRB selbst erstellt werden muss, sowie einem Self Assessment gegen die EBA-Leitlinien selbst, sind bis Ende 2025 durch die Institute sog. Master Playbooks zu entwickeln.

Anwendungsbereich und Zielsetzung

Von der Anforderung zur Erstellung von Master Playbooks sind gem. Textziffer (Tz.) 138 der EBA-Leitlinien folgende Institute betroffen:

  • Unionsmutterunternehmen und die Abwicklungseinheiten einer Abwicklungsgruppe, die entweder Artikel 92a oder 92b der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 unterliegen oder deren Gesamtwert der Vermögenswerte auf Ebene der Abwicklungsgruppe über 100 Mrd. EUR liegt,

  • sowie von der zuständigen Abwicklungsbehörde benannte Abwicklungseinheiten, die Artikel 92a der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 nicht unterliegen und die Teil einer Abwicklungsgruppe sind, bei der der Gesamtwert der Vermögenswerte unter 100 Mrd. EUR liegt, bei denen die Abwicklungsbehörde jedoch gemäß Artikel 45c Absatz 6 der Richtlinie 2014/59/EU zu dem Ergebnis kommt, dass sie im Falle eines Ausfalls mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Systemrisiko darstellen.

Die Anforderungen orientieren sich hier somit einerseits an den Eigenschaften als global systemrelevante Bank (GSIB) bzw. der reinen Größe des betrachteten Instituts. Andererseits findet die sog. Fishing Option Anwendung, welche bereits im Rahmen der Festlegung von möglichen Nachranganforderungen im Bereich der MREL-Quoten verwendet wird.

Gem. Tz. 17 aus den Hintergrundanmerkungen der EBA-Leitlinien umfasst die Zielsetzung eines Master Playbooks verschiedene Aspekte, welche für die Umsetzung der Abwicklungsstrategie von Relevanz sind, effektiv miteinander zu verknüpfen und darzustellen, wie diese im Falle einer möglichen Abwicklung ineinandergreifen. Hierbei geht es jedoch keineswegs um eine Doppelung von bestehenden Playbooks und Dokumenten sondern darum eine übergreifende Darstellung aufzubauen, welche das Senior Management dazu befähigen soll, eine mögliche Abwicklung institutsweit umzusetzen und zu koordinieren. Der Fokus soll hierbei auf möglichen Triggern und dem Timing der Aktivierung von Playbooks im Zeitverlauf liegen. Dabei soll jedoch nicht erst bei einer möglichen Abwicklungsphase begonnen werden, sondern bereits der Zeitraum vor einer Abwicklung, welcher möglicherweise deckungsgleich mit der Sanierungsphase ist, sowie der Zeitraum nach einer Abwicklung betrachtet werden.

Mit der Anforderung an die Erstellung von Master Playbooks wird durch die European Banking Authority (EBA) eine bestehende Lücke im Vergleich zu der Umsetzung der Abwicklungsplanung in den USA und in Großbritannien geschlossen, da hier Anforderungen an die Erstellung ähnlicher Dokumente bereits existieren.

Auswirkungen des bisherigen organisatorischen Vorgehens

In Abhängigkeit des bisherigen organisatorischen Vorgehens in betroffenen Instituten kann die Erstellung der Master Playbooks zu höheren oder geringeren Aufwänden führen. Grundsätzlich lassen sich zwei verschiedene Aufbauorganisationen mit Bezug zur Abwicklungsplanung beobachten.

Zentrale Verantwortung

Institute mit einer zentral gelagerten Aufbauorganisation haben in den vergangenen Jahren zentrale Einheiten gebildet, welche die Erstellung von Playbooks, Plänen und Analysen federführend mit begleiten bzw. verantworten. Der Aufbau solcher zentralen Einheiten bringt jedoch verschiedene Herausforderungen mit sich. Neben der Fragestellung, in welchem Bereich solche Einheiten am sinnvollsten angesiedelt werden, muss außerdem ein sehr diverses Skillset bei den Mitarbeitenden vorliegen, welches teilweise nicht mit den ureigenen Aufgaben des entsprechenden Bereichs übereinstimmt. Sollte bspw. eine zentrale Einheit im Risikocontrolling für die Abwicklungsplanung verantwortlich sein, liegt hier im Regelfall kein tiefgehendes Fachwissen bzgl. der Geschäftsabwicklung vor, welches für ein Bail-in Playbook von Bedeutung ist. Erfahrungen haben jedoch gezeigt, dass bei einer zentralen Bearbeitung der Themen um die Abwicklungsplanung häufig bereits ein aus einer Governance-Sicht zueinander sehr konsistentes Konstrukt an Playbooks vorliegt, welches die Aufwände und Herausforderungen bei der Erstellung von Master Playbooks reduzieren wird.

Dezentrale Verantwortung

Demgegenüber steht die dezentrale Bearbeitung der Themen. Hierbei existiert in den meisten Fällen eine Einheit, welche die Bearbeitung koordiniert und steuert, die operative Erstellung von Playbooks und Analysen erfolgt jedoch individuell in den Bereichen. Bspw. kann solch eine koordinierende Einheit ebenfalls im Risikocontrolling angesiedelt sein; die Erstellung eines Bail-in Playbooks erfolgt dann jedoch federführend durch die Geschäftsabwicklung. Diese Aufbauorganisation führt initial zwar zu geringeren Aufwänden im Bereich, welcher die Abwicklungsplanung koordiniert. Jedoch ist bei der Erstellung von Master Playbooks mit höheren Aufwänden zu rechnen, wenn im Rahmen der Qualitätssicherung der Zulieferungen aus den einzelnen Fachbereichen nicht bereits auf eine hinreichende Vereinheitlichung in Bezug auf bspw. die Governance und Annahmen geachtet wurde. Vor diesem Hintergrund kann die Erstellung von Master Playbooks jedoch auch als Ansatz zur Konsolidierung gesehen werden, um Pläne und Analysen aus verschiedenen Bereichen mit dem Fokus auf Governance und Timing zu vereinheitlichen und möglicherweise Skaleneffekte zu generieren.

Inhalte von Master Playbooks

Die tatsächlich geforderten Inhalte von Master Playbooks finden sich in Tz. 140 der EBA-Leitlinien. Es handelt sich dabei um folgende Aspekte:

  • Definition von Schlüsselrollen und Verantwortlichkeiten des Senior Management in der Zeit vor und während einer Abwicklung

  • Festlegung der durch das Management zu treffenden Entscheidungen und der zeitlichen Abhängigkeiten in der Zeit vor und während einer Abwicklung

  • Festlegung von Auslösern für die Aktivierung verschiedener Sub-Playbooks (bspw. Bail-in Playbook, Transfer-Playbook, …)

  • Festlegung der Quellen, Formate und Zeitpunkte der Bereitstellung von Informationen, auf die denen die Entscheidungen des Vorstands basieren sollen

  • Darstellung, wie die einzelnen Elemente im Rahmen der Anwendung der Abwicklungsstrategie ineinander spielen. Hierbei sollen insbesondere betrachtet werden:

    • Bail-in Umsetzung (Bail-in Playbook)

    • Transfer Playbook (sofern relevante)

    • Bewertung

    • Funding und Liquidität in Abwicklung (inkl. der Überwachung des Collaterals sowie einer möglichen Funding-Strategie für die Abwicklung)

    • Zugang zu FMIs (inkl. FMI-Notfallpläne)

    • Operative Handlungsfähigkeit (inkl. Service-Katalog)

    • Geschäftsreorganisationsplan

Grundsätzlich lässt sich eine Orientierung bei den genannten Elementen an den einzelnen Dimensionen der Expectations for Banks feststellen. Während die ersten vier Spiegelstriche eher dem Themengebiet der Governance und somit der Dimension 1 zugeordnet werden können, werden im letzten Spiegelstrich inkl. der Unterkategorien explizit die sonstigen Dimensionen der Expectations for Banks genannt.

Ansätze zur Umsetzung

Bevor eine Umsetzung zur Erstellung eines Master Playbooks erfolgt, sollten zunächst zwei verschiede wesentliche Einflussfaktoren definiert werden:

Welcher Zeitraum wird betrachtet?

Zunächst sollte definiert werden, welche Zeitscheiben im Rahmen des Master Playbooks betrachtet werden. Wie dargestellt, fordert das SRB, dass nicht erst mit dem Abwicklungswochenende begonnen wird. Stattdessen soll bereits der Zeitraum vor einer Abwicklung betrachtet werden (sog. Pre-resolution Phase). D.h. ein Startzeitpunkt für ein mögliches Master Playbook könnte die Anwendung von Handlungsoptionen des Sanierungsplans sein. Per Definition ist hier davon auszugehen, dass die Sanierung nicht erfolgreich war und somit eine Abwicklung durchgeführt wird. Der zweite detailliert zu betrachtende Zeitblock wäre daher das Abwicklungswochenende (Resolution Weekend) selbst. Dem folgt als abschließender Zeitraum die Post Resolution Phase. Darüber hinaus ist der Detailgrad innerhalb der Zeitscheiben unterschiedlich. So ist es bei dem Abwicklungswochenende selbst sowie bei den ersten Tagen nach dem Abwicklungswochenende sinnhaft, die einzelnen Tage zu betrachten oder stellenweise auch auf Zeiträume an einzelnen Tagen einzugehen. Je größer die zeitliche Entfernung zum Abwicklungswochenende ist, ist dies nicht mehr zielführend.

Welche Akteure gibt es?

Insbesondere bei bis dato dezentralen Vorgehensweisen ist zunächst zu hinterfragen, welche zentralen Gremien für den Fall einer möglichen Abwicklung existieren und welche Playbooks von diesen aktiviert werden können. Es ist eine Festlegung zu treffen, wann in der Pre-resolution Phase mögliche abwicklungsspezifische Gremien einberufen werden. Grundsätzlich hat sich hierbei beobachten lassen, dass häufig eine Personenidentität zwischen Gremien der Sanierungsphase und Gremien der Abwicklungsphase besteht bzw. ein fließender Übergang zwischen den zwei Gremien existiert. Darüber hinaus sind einzelne Entscheidungsträger, wie beispielsweise der CEO oder auch Bereichsleitungen zu identifizieren, denen eine Aufgabe im Rahmen der Abwicklung zukommt.

Nach Festlegung eines einheitlichen Zeitstrahls sowie der Gremien und Entscheidungsträger, welche in Kraft treten, kann anschließend damit begonnen werden, die verschiedenen Playbooks in diese Matrix einzusortieren.

Wie kann eine Umsetzung erfolgen?

Grundsätzlich handelt es sich bei den dargestellten Sachverhalten um verschiedene Ansätze und Vorgehensweisen, welche immer in Abhängigkeit der bereits bestehenden Dokumente und Strukturen sowie von institutsspezifischen Besonderheiten gesehen werden müssen.

Sobald der Zeitraum und die Akteure definiert sind, können diese in einer Art Matrix dargestellt werden. Anschließend kann, als erster initialer Schritt, damit begonnen werden, die möglichen Zeitpunkte für die Aktivierung von Playbooks oder bereits vorbereitenden Maßnahmen in diese Matrix einzutragen.

Abbildung 1: Matrix als Grundlage für Master Playbooks

Die so zunächst eher grafisch gelagerte Darstellung schafft einen Überblick über zeitliche und auch prozessuale Abhängigkeiten zwischen einzelnen Playbooks und gibt Aufschluss darüber, welche Gremien in Summe existieren und definiert werden. Hieraus können mögliche Ansätze zur Verschlankung der Governancestruktur im Abwicklungsfall erwachsen, welche eine bessere Operationalisierbarkeit nach sich ziehen. Je nach Ausgestaltung der individuellen Playbooks und Pläne, kann jedoch auch Anpassungsbedarf in möglichen Governance-Kapiteln in den Dokumenten selbst entstehen. Die EBA-Leitlinien fordern neben der Betrachtung der Zeitpunkte und der Akteure ebenfalls die Definition von Triggern und Daten, welche die Grundlage für Entscheidungen bilden. Sobald das Gesamtbild in bspw. der Form der dargestellten Matrix erstellt wurde, ist es ratsam diese in eine Playbook-Struktur zu überführen. Hierbei kann mit einzelnen Steckbriefen oder auch in Tabellenform gearbeitet werden.

Abbildung 2: Grundsätzliche Darstellung Master Playbook

Die dargestellte Tabelle stellt eine vereinfachte Darstellungsform eines möglichen Master-Playbooks dar, welche um institutsspezifische Aspekte ergänzt werden muss und die die grundsätzlich von den Abwicklungsbehörden geforderten Informationen beinhaltet. Dieser tabellarischen Darstellung kann zusätzlich eine Definition von Schlüsselrollen beigefügt werden.

Eine weitere Frage, die bei der Erstellung betrachtet werden kann, ist die Fragestellung, in welchen Dimensionen der Expectations for Banks bspw. explizit Playbooks vorliegen und welche Dimensionen eher grundlegende Informationen für die Umsetzung von Playbooks bereitstellen. Als Beispiel soll hier das Themengebiet Operative Handlungsfähigkeit genannt werden. Für dieses Themengebiet selbst, wurde bis dato keine Erstellung von Playbooks mit möglichen Schritten für eine Abwicklung gefordert. Es kann jedoch bspw. die Grundlage für die Erstellung von Transfer-Playbooks bilden, sofern kein Share sondern ein Asset Deal durchgeführt wird. Im Zuge dessen muss betrachtet werden, welche Services die zu übertragenden Assets benötigen. Gem. den Vorgaben zum Separability Analysis Report sollten diese mit übertragen werden. D.h. es kann notwendig sein, im Rahmen der möglichen Pre-resolution Phase eine Aktualisierung der relevanten Services für den Transfer-Perimeter durchzuführen. Im Rahmen des Abwicklungswochenendes selbst gibt es aus dem Themengebiet Operative Handlungsfähigkeit jedoch keine konkreten Aktivitäten.

FINBRIDGE ALS IHR PARTNER FÜR DIE ABWICKLUNGSPLANUNG

Finbridge unterstützt Sie bei der Umsetzung der Anforderungen zur Abwicklungsplanung. Unsere Expertinnen und Experten haben teils selbst bei der Bundesbank, dem SRB und Anbietern von Meldewesen-Software gearbeitet. Sie sind am Markt in Vorstudien, Proberechnungen und Umsetzungsprojekten im Kontext Abwicklungsplanung und Aufsichtsrecht mit langjähriger Erfahrung aktiv und können Sie bei all den Herausforderungen mit fundierter Erfahrung und Expertise wertstiftend unterstützen. Aufgrund unseres umfangreichen Fachwissens in der Gesamtbanksteuerung, gekoppelt mit weitreichender umsetzungsorientierter Praxiserfahrung rund um die Abwicklungsplanung, können wir flexibel auf Ihre Wünsche und Institutsspezifika eingehen und begleiten Sie bis zur Erfüllung der Erwartungen der Abwicklungsbehörden.

Sie haben Fragen zu den fachlichen Änderungen im Detail? Unsere Experten stehen Ihnen mit ihrem fachlichen Know-how bei der Planung und Umsetzung gerne zur Seite


Ansprechpartner

Sven Warnecke
Senior Manager

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Sven.Warnecke at Finbridge.de

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